Lachen mit Tränen in den Augen (German Edition)
mit verstellter Stimme noch mal: »Hi, Lexie.« Jon packte das Plüschkänguru und warf es ihr zu.
Sie zog sich einen Stuhl heran und schob einen Haufen leerer Burgerschachteln und Pappbecher zur Seite, wobei eine tiefer liegende Sedimentschicht aus Handbüchern und technischem Kram freigelegt wurde. »Und, wie geht’s voran?«
»Guck mal.« Jon ließ den Test noch mal durchlaufen. Skippy sprang durch den australischen Busch, um Sonny aus dem abgestürzten Hubschrauber zu retten. Einfach niedlich!
Er stoppte die Sequenz, hackte mit beeindruckendem Tempo auf die Tastatur ein, änderte einige Parameter in den Zahlenkolonnen auf der linken Bildschirmseite und startete das Movie erneut.
Echt schade, dass der Film noch nicht synchronisiert war, deshalb waren im Sound Department nebenan und im Aufnahmestudio auch schon die Lichter ausgegangen. Aber Nicole Kidman, Hugh Jackman und Sam Neill, die bekanntesten Schauspieler Australiens, hatten ja bereits zugesagt. Was für ein Triumph für Dad! Den hatte er allerdings Mom zu verdanken, die wie Nicole Kidman UNICEF-Botschafterin war. Während einer Gala in Los Angeles hatte Mom Nicole überzeugt, dem Kangaroo Girl Skippy ihre Stimme zu leihen. Damals hatte Mom sich noch in der Öffentlichkeit gezeigt. Bevor sie krank wurde.
Also, nur der kleine Sonny hatte bisher noch keine Synchronstimme, deshalb musste Dad übernächste Woche zum Casting nach Sydney fliegen. Beim Frühstück hatte er sie gefragt, ob sie mitkommen wollte, um ihm zu helfen, einen fünf- oder sechsjährigen Jungen zu finden. Schließlich war das ganze Filmprojekt ja ihre Idee gewesen. Sydney? Na klar, warum nicht! Er hatte ihr eine Aufnahme vorgespielt, die ihm das Casting Team während der Nacht zugemailt hatte. Der Junge mit der niedlichen Stimme war ein aufgewecktes Kerlchen. Wie hieß er noch? Ach ja, Kyle Winslow.
Okay, ihr Handy summte. SMS von Dad:
Mark Ryker
June 15, 2011 10:23:28 PM
WO STECKST DU DENN?
DAD
Lexie stellte den Scooter vor seiner Tür im obersten Stock ab und trat ein.
Dads Büro war der Rangerstation im Waratah Park nachempfunden. Der Raum versprühte den Charme der späten Sechziger, als Dad noch eine kleine Rotznase war und Skippys Abenteuer im Fernsehen gesehen hatte. Hey, in flimmerndem Schwarzweiß, versteht sich!
An der Wand hinter dem Schreibtisch prangte ein großes Holzschild: RANGER HEADQUARTERS. Das Telefon, ein altertümliches Teil mit Wählscheibe und Ringelkabel, machte echt was her, funktionierte allerdings nicht mehr – schnuppe, denn Dad telefonierte sowieso nur über Handy. Der absolute Hingucker war jedoch eine Replik des wuchtigen Funkgeräts aus der TV-Serie.
Im Bücherregal hatte Dad ein Foto aufgestellt, dessen Farben schon etwas verwaschen waren: Ein Haufen ramschiger Computer in einer staubigen Garage – seine Firma als Startup in der Abstellkammer ihrer alten Wohnung in der Pacific Avenue. Daher auch der Firmenname. Dad hatte die Computerspiele damals noch selbst entwickelt und programmiert. Der Weg von der Garage in San Francisco zum Multimillionen-Dollar-Unternehmen in Redwood Shores war lang und beschwerlich und führte zunächst übers Internet. Der kometenhafte Aufstieg von Pacific Avenue Entertainment begann aber erst mit den Animationsfilmen und der Kooperation mit Mediengiganten wie Walt Disney und Time Warner .
Neben dem nostalgischen Foto der Garage voller Computerschrott hatte Dad Moms Bücher und Filmplakate ausgestellt. Seine eigenen Trophäen standen für alle Mitarbeiter unten in der Halle, aber die Erfolge seiner Frau waren nur für ihn selbst gedacht. Damit wollte er nicht angeben. Er war einfach wahnsinnig stolz auf sie. Und, hey, er hatte auch allen Grund dazu! Moms Romane ließen kein Herz unberührt, ihre Worte waren voller Wärme und Gefühl.
Ein anderes Foto auf seinem Schreibtisch zeigte eine glückliche Familie, die vor einem wolkenlosen Himmel scheinbar in der Luft schwebte. Mom, Dad und Lexie hielten sich an den Händen und lachten in die Kamera. Das war, bevor ihr ganzes Leben über ihnen einstürzte, als Moms Diagnose feststand. Lexie hoffte so sehr, dass sie sich auf Tahiti erholte und bald nach Hause kam. Sie vermisste sie jetzt schon.
»Hallo, Dad!«, rief sie.
Er steckte den Kopf aus dem Bad neben dem Büro. »Hallo, Lexie. Da bist du ja.« Er kam heraus, jetzt in offenem Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, ausgewaschenen Jeans und weißen Sneakers. Braungebrannt, schlank und hochgewachsen,
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