Lackschaden
wie war es?«, frage ich meine Tochter.
»Ist halt ein Baumarkt!«, antwortet sie.
Euphorie hört sich mit Sicherheit anders an. Aber das kann ja noch kommen.
»Wann fängst du an?«, will ich weitere Informationen.
»Direkt am ersten Ferientag, acht Uhr dreißig. Das war’s dann mit dem Endlich-Mal-Ausschlafen!«, stöhnt sie. »Drei Wochen lang!«
»Ach du je«, sage ich, denke aber, dass es ruhig noch ein Stündchen früher hätte sein können.
Dieser Job soll ja abschrecken und die Lust auf die Schule wieder wecken. Hoffen wir mal, dass unser strategischer Schachzug aufgeht.
»Was hast du denn da für eine Nummer auf deiner Hand stehen?«, fragt Claudia und nimmt neugierig meine Hand.
Ich merke, wie mir zum zigsten Mal heute die Röte ins Gesicht steigt. Dabei ist es ja bloß eine Telefonnummer.
»Ach, die«, sage ich so beiläufig wie möglich. »Die ist von einer alten Bekannten. Die hab ich beim Einkaufen getroffen. Kennst du nicht«, baue ich direkt weiteren Nachfragen vor.
Sie guckt erstaunt und runzelt ihre kleine glatte Stirn.
»Und die schreibt dir ne Nummer auf die Hand? Das ist ja total strange.«
»Ja, verrückt, gell? Aber wir hatten keinen Zettel und waren in Eile«, lüge ich beherzt weiter. Geht Claudia ja auch wirklich nichts an.
»In welcher Abteilung wirst du denn arbeiten?«, schwenke ich zurück zum Thema Baumarkt.
»Sanitärobjekte! Mit anderen Worten Kloschüsseln. Aber immer noch besser als Schrauben.«
Meine Tochter arbeitet in der Kloschüsselabteilung. Lustig. Ich unterdrücke ein Grinsen.
»Kann doch ganz interessant sein«, sage ich stattdessen.
»Ihr müsst mich nicht auch noch verarschen«, ist ihr Kommentar, und sie rauscht ab in ihr Zimmer. Ihre Hoheit hat das muntere Geplauder beendet.
Christoph kommt mal wieder spät.
Meine Hand habe ich vorsorglich mit der Wurzelbürste bearbeitet – die Telefonnummer aber, für alle Fälle, abgespeichert. Allerdings nicht unter Reimer, sondern unter Bademoden. Christoph neigt zwar nicht zur Eifersucht, ich kann mir auch nicht vorstellen, dass er mein Handy durchforsten würde (zu solch niederen Taten wäre betrüblicherweise eher ich fähig …), aber man weiß ja nie. Außerdem hat es so etwas Aufregendes. Auch wenn es (noch?) gar nichts zum Aufregen gibt. Ich sollte mich, wie meine Mutter zu sagen pflegt, aber jetzt wirklich mal zusammenreißen. Es war nicht mehr als ein nettes Aufeinandertreffen und ein harmloser Austausch von Telefonnummern. Dass ich gedanklich schon ganz andere Sachen mit Herrn Reimer treibe, das ist das eigentlich Bedenkliche. Wäre tatsächlich alles so harmlos, hätte ich ja auch mit ihm einen Kaffee trinken gehen können. Meine Güte, ich bekomme diesen Herrn Reimer einfach nicht aus meinem Kopf! Ob ich ihm mal eine kurze SMS schicke? Oder besser abwarte, bis er sich meldet? Selbstverständlich sollte ich abwarten. Das würde ich jedenfalls jeder Freundin raten. Warte bis er sich meldet! Auch wenn es Männer angeblich mögen, wenn Frauen den ersten Schritt machen. Das mag in der Theorie stimmen, aber in der Praxis sind wir noch lange nicht so weit. Insgeheim sind Männer eben gern die Lenker und Bestimmer.
»Du bist ja komplett abwesend!«, nörgelt Christoph.
Ich verkneife mir zu sagen, dass ich nur mal kurz gedanklich nicht anwesend war, er hingegen meist auch körperlich sonst wo ist. Und wenn er mal zu Hause ist, sollte sich, wenn möglich, dann aber auch alles um ihn drehen.
»Was essen wir?«, ist seine wenig originelle Frage.
Dieses ständige Was-Essen-Wir-Gefrage geht mir unglaublich auf den Wecker. Kochen mag ein herrliches Hobby sein – tägliches Kochen ist einfach nur öde. Jedenfalls für mich. Trotzdem trolle ich mich in meinen natürlichen Lebensraum, genannt Küche, und mache Abendessen. Nudeln.
»Abends Kohlenhydrate, also, Andrea, das ist wirklich nicht besonders klug. Das sollte sich doch rumgesprochen haben, dass das ansetzt. Das kann ja auch nicht in deinem Sinne sein«, tadelt mich Christoph.
Ich weiß nicht genau warum, aber ich spüre, wie richtiggehender Zorn in mir aufsteigt. Mir wird heiß, ob durch den Küchendunst, meinen Zorn oder die mistigen Hormone, und ich bekomme richtig Lust, ihm den Topf Nudeln vor die Füße zu knallen. Ich mache es. Gieße aber – weil ich nicht als grausam gelten will – vorher noch das Wasser ab. Es macht ein Wahnsinnsgeräusch, scheppert auf dem Parkett, das bestimmt eine schöne Macke abbekommen hat und die Nudeln fliegen
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