Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
ihn zu und bot ihm einen Platz an. »Sagischvar! Ihr solltet Euch nicht zu mir bemühen, ich wäre zu Euch gekommen.«
»Ich weiß«, ächzte Sagischvar, als er sich auf dem Diwan niederließ. Er war wohl doch schon älter als er zugeben wollte, trotz des heilsamen Wassers aus der Kurdurquelle. »Saric war ziemlich erregt. Gibt es Schwierigkeiten?«
»Ja, ich weiß nicht weiter«, gestand Jaryn. »Ich habe das Gefühl, im Palast ständig gegen Mauern zu laufen. Wie soll ich lernen, ein guter und gerechter Herrscher zu werden, wenn man mich behandelt wie den Hofnarren.«
»Erzähl, Jaryn. Wer behandelt dich so?«
»Natürlich mein Vater. Und weil er es tut, tun die anderen es auch.«
»Du musst dich durchsetzen. Denke immer daran, wer du bist.«
»Ich bedenke es ständig. Ich weiß um meine Aufgabe. Ich lerne, ich lese viel, ich höre meinen Beratern zu. Ich bemühe mich, dem Leben im Palast gerecht zu werden, ich passe mich an, so gut es geht. Aber ich will auch handeln. Ich verlange Einsicht in Dokumente, ich will Entscheidungen treffen. Man lässt mich machen, solange ich damit niemanden in seiner Ruhe störe.«
»Dann störe doch ihre armselige Ruhe! Scheuche sie auf, diese Palastwanzen!«
Jaryn sah Sagischvar erstaunt an. So hatte er ihn noch nie reden hören. »Ich habe es ja versucht. Ich habe einen mächtigen Mann angegriffen und dadurch den König aufgescheucht. Von ihm durfte ich mir anhören, dass ich nur ein kleiner, dummer Junge bin, der nichts von dem begreift, was dem Lande nützt.«
Jaryn erzählte Sagischvar die Geschichte von Taymar und Caschu.
Der Oberpriester des Sonnentempels strich über seine spärlichen Barthaare. »Er nimmt uns nicht ernst«, murmelte er.
»Wen?«
»Suthranna, Anamarna und mich. Früher waren wir vier, Adramas ist zu früh von uns gegangen. Doron hat dich anerkannt, aber er lässt dich ins Leere laufen, das ist seine Taktik. Er will nicht, dass in Margan ein neuer Wind weht, er liebt den alten Pestgeruch. Wir sollten auch mit Suthranna darüber sprechen. Mit Anamarna nur, wenn es notwendig wird, er verlässt ungern sein Heim.« Sagischvar erhob sich schwerfällig und legte Jaryn seine von Altersflecken gesprenkelte Hand auf die Schulter. »Mit Caschu hast du bewiesen, dass du auf dem richtigen Weg bist. Ich bin stolz auf dich. Komm, wir besuchen den alten Wiedehopf.«
»Wen?«, fragte Jaryn entgeistert.
Sagischvar grinste. »Suthranna, den alten Wiedehopf. So haben wir ihn früher genannt – als wir noch Knaben waren.«
Jaryn konnte sich die Vier nicht als Knaben vorstellen. »So lange kennt ihr euch schon?«
Sagischvar nickte. »Wir waren unzertrennlich und unverbrüchlich in unserer Treue zu Jawendor, aber das hielten wir verborgen. Wir haben uns damals geschworen, den bösen Fluch zu brechen. Und wir werden nicht aufgeben.«
Jaryn wunderte sich, dass sie in die Kellergewölbe hinunterstiegen, wo sich das Archiv befand. Sagischvar steuerte auf eine der vielen unscheinbaren Türen zu. In dem Raum vermutete Jaryn Bücher und Pergamente, doch zu seiner Überraschung erstreckte sich dahinter ein langer Gang, und Jaryn ahnte, wohin er führte. Es gab also eine unterirdische Verbindung zwischen den beiden Tempeln, die angeblich so verfeindet waren. Auf diesem Wege trafen sich die alten Freunde Sagischvar und Suthranna, wenn sie etwas zu bereden hatten. Jaryn war klar, dass Sagischvar ihm in diesem Augenblick ein Geheimnis verraten hatte, und er freute sich über das Vertrauen.
Sagischvar leuchtete mit einer Öllampe voran, die er vom Eingang mitgenommen hatte. Sie mussten nicht weit gehen. Unter dem Mondtempel endete der Gang an einer weiteren Tür. Sagischvar gab ein Klopfzeichen. Sie wurde von innen geöffnet, und ein alter Mann stand ihnen gegenüber. »Das ist Auron, der Archivar des Mondtempels«, stellte Sagischvar ihn vor.
Jaryn nickte ihm freundlich zu.
»Und Ihr seid Prinz Jaryn«, sagte Auron. »Seid willkommen. Bitte nehmt irgendwo Platz. Was auf den Stühlen herumliegt, könnt ihr auf den Boden stellen. Ich hole Suthranna.«
Jaryn war verblüfft über die unbefangene Art des Alten. Weder vor Sagischvar noch vor Suthranna, geschweige denn vor ihm schien er Respekt zu haben. Er sah sich um: Sie befanden sich offensichtlich im Arbeitszimmer des Archivars, einem Raum, der auf den ersten Blick chaotisch wirkte. Sagischvar bemerkte seinen irritierten Blick und lächelte. »Auron hat seine eigene Ordnung. Er findet auf Anhieb, was du von ihm haben
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