Lacunars Fluch 02 - Die Prinzen
Astrakan. Das liegt jenseits des großen Meeres, nicht wahr? Es muss jedes Mal eine beschwerliche Reise gewesen sein.«
»Oh ja …« Zahira überlegte fieberhaft, wie sie dem Gespräch eine andere Wendung geben konnte. »Damals war ich ja fast noch ein Kind. Ich erinnere mich an stürmische Überfahrten. Natürlich auch an den Garten hier, aber inzwischen dürfte er sich verändert haben.«
»Er wird von Jahr zu Jahr schöner.« Sie verließen die Halle durch eine Nebentür und befanden sich unversehens inmitten blühender Sträucher, die einen süßen Duft verströmten. Selbstverständlich standen sie nicht im Freien, denn der kühle Weißmond war angebrochen, und die meisten Pflanzen waren verdorrt und warteten auf den Frühling. Aber in künstlich erwärmten Gewächshäusern wuchsen prachtvolle Blumen und zahlreiche Grünpflanzen. Schmale Wege führten hindurch. Gaidaron geleitete Zahira zu einem hübschen Brunnen, dessen steinerne Drachenmäuler Wasser in das Becken plätschern ließen. Um das Becken herum zog sich eine Bank.
»Wollen wir uns ein wenig setzen?«
Zahira nickte. »Es ist ein wunderschöner Platz.«
Gaidaron lächelte und setzte sich neben sie. »Wunderschön zum Träumen? Zum Nachdenken? Zum miteinander Schweigen?«
»Ich glaube, das alles kann man hier tun und noch vieles mehr.« Dabei dachte sie: Wenn er mich jetzt küssen will, wie verhalte ich mich? Oder, wenn er mich über Astrakan ausfragt?
»Ich komme oft hierher, um nachzudenken«, sagte Gaidaron. »Aber heute bin ich in so reizender Gesellschaft, da ziehe ich eine geistreiche Plauderei vor.«
Beinahe hätte Zahira aufgelacht. Wenn du wüsstest, wie fern mir geistreiche Gespräche bei den Berglöwen waren. Aber warum soll ich es nicht versuchen? Du gefällst mir mehr, als mir gut tut. Aber bevor ich auf dumme Gedanken komme, möchte ich doch wissen, was du eigentlich von mir willst.
» Habt Ihr einen besonderen Grund, mit mir plaudern zu wollen?«, fragte sie direkt, um endlosen Gesprächen vorzubeugen. Freilich, sie genoss die Nähe dieses Mannes, aber gleichzeitig fühlte sie sich unsicher. Sie würde auf viele Fragen keine Antworten haben, und das behagte ihr nicht.
»Mir fallen gleich zwei Gründe ein: Ihr seid eine wunderschöne und bald auch die mächtigste Frau im Reich. Außerdem habe ich das Vergnügen, Euren Ehekontrakt aufzusetzen, und ich muss gestehen, dass mich diese Arbeit beflügelt hat, Euch endlich persönlich kennenzulernen.«
Dieser Schmeichler!, dachte sie. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass er viel mehr über sie wissen musste, als sie angenommen hatte, wahrscheinlich die volle Wahrheit. Wenn es so war, konnte sie freier reden und brauchte nicht mehr krampfhaft nach Ausflüchten zu suchen.
»Wenn Ihr es erlaubt, gebe ich den Kontrakt zu Euren treuen Händen, er ist nämlich fertig.«
»Oh, das würde mich freuen. Und natürlich Doron. Wenn es nach ihm ginge, wären wir bereits verheiratet. Aber die Landestrauer …«
»… um seinen Sohn Jaryn, ich weiß«, nickte Gaidaron und setzte eine betrübte Miene auf. »Dennoch – ich weiß nicht, wie weit Ihr unterrichtet seid, aber das Verhältnis zwischen Vater und Sohn war nicht das Beste. Außerdem war er nur ein Sonnenpriester.«
»Nur?«, fragte Zahira verwundert.
»Was die Regierungsgeschäfte angeht«, erwiderte Gaidaron rasch. »Völlig ungeeignet für konsequentes Durchgreifen. Heilig – das war er natürlich. Aber Heilige sollten nicht König werden, das ist jedenfalls meine Meinung.«
»Da muss ich Euch zustimmen. Ich habe von diesem Jaryn nie eine gute Meinung gehabt. Mein Sohn Rastafan hingegen ist ein Mann der Tat, und auch Doron hält große Stücke auf ihn. Allerdings geht Rastafan der Tod seines Bruders sehr nahe. Er ist noch nicht darüber hinweg.«
»Das kann man ja verstehen. Er wäre ein Monstrum, würde er nicht trauern. Aber er wird genug Zeit bekommen, dessen Tod zu verschmerzen. Immerhin ist Doron noch im besten Mannesalter und wird unserem schönen Jawendor noch lange als König erhalten bleiben.«
Zahira brachte ein gequältes Lächeln zustande. »Das wollen wir alle hoffen.«
»In beiden Tempeln wird täglich dafür gebetet. Euer Sohn kann sich also in aller Ruhe an seine neuen Pflichten gewöhnen.« Gaidarons Stimme schwankte nicht, sein Lächeln war offen. »Ich habe mich übrigens bereits um einen Antrittsbesuch beim Prinzen bemüht, wurde aber vertröstet.«
»Da geht es Euch nicht anders als mir«, seufzte Zahira.
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