Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
bleiben wirst.«
Gaidaron stöhnte. Der anfangs so lohnend erscheinende Auftrag entwickelte sich zu einer Belastung, die er in seinem Zustand nicht gebrauchen konnte. Aber er durfte sich Suthrannas Wünschen nicht widersetzen. Im schlimmsten Fall hatte dieser das Recht, ihn aus dem Tempel zu verstoßen, wenn die Mehrheit der Priester dem zustimmte.
Er versprach also, sich schon am nächsten Tag um die Angelegenheit zu kümmern. Dazu musste er erst einmal von diesem Tiyamanai erfahren, um was für ein Dämonenproblem es sich handelte, damit er die nötigen Vorbereitungen treffen konnte. Wenn es wirklich die höchste Ebene betraf, musste es sich um etwas Schwerwiegendes handeln. Doch was war für diese Menschen schon schwerwiegend? Soviel er wusste, begrüßten sie jedes Ungemach, weil sie für irgendetwas in dieser Welt büßten, um dann nach dem Tode um so glücklicher zu leben.
*
Gaidaron war gebadet und gekämmt und hatte ein sauberes Mondgewand angezogen, als er sich am nächsten Tag zu den Zylonen aufmachte. Aus ihm war wieder das stattliche Mannsbild geworden, das er eigentlich war. Um die Mittagszeit erreichte er Dimashk. Er kannte sich dort aus und fürchtete sich nicht vor bösen Geistern, doch heute überlegte er zum ersten Mal, weshalb die Tempel hier alle verfallen und die Götter vergessen waren. Vor langer Zeit musste das ein eindrucksvoller Ort gewesen sein, wie die teilweise noch erhaltenen Wegplatten und die mit Säulen, Türmen und Reliefs verzierten Tempel erkennen ließen. Im Gras am Wegesrand lagen zerbrochene, von Moos überwachsene Statuen, deren leere Augenhöhlen einer untergegangenen Epoche nachzustarren schienen. Einer Zeit, aus der es keine schriftlichen Überlieferungen gab.
Der Tempel des Morphor war an einen Felsen gebaut. Vielleicht hatte ihm das Halt gegeben, denn er wirkte nicht so verfallen wie die anderen Gebäude. Der ganze Berg, der sich hinter ihm erstreckte, war von Höhlen und Gängen durchlöchert. Gaidaron erblickte keinen Menschen. Der Flecken wirkte wie ausgestorben. Nur Vögel nisteten in den Ruinen, und hin und wieder huschte eine Ratte über die Steine. Gaidaron ging auf den großen, runden Torbogen zu, der von einer Tür aus massivem Eichenholz und einem eisernen Querriegel verschlossen war. Vergeblich suchte er einen Türklopfer. Als er um den Tempel herumging, fand er eine kleine Seitentür, in der sich gerade in diesem Moment eine Klappe öffnete, als er davor stand. Das konnte kein Zufall sein, man hatte ihn beobachtet.
Ein Kopf mit der üblichen Kapuze erschien in der Öffnung. Gaidaron erkannte nur zwei funkelnde Augen. Noch bevor er etwas sagen konnte, verschwand der Kopf, und die Klappe schloss sich. Gleich darauf öffnete sich die Tür. Ein großer, schlanker Mann in dem zerschlissenen Gewand der Zylonen stand vor ihm. »Kommt herein«, sagte der Mann. Er drehte sich nach allen Seiten um, ließ Gaidaron an sich vorbei und verriegelte die Tür. Dann streifte er die Kapuze ab. »Ich bin Tiyamanai, der Hüter dieses Tempels. Ihr seid der Priester, den wir angefordert haben? Seid willkommen und bedankt, dass Ihr gekommen seid.«
Gaidaron nickte ihm kurz zu. Er wunderte sich über die höfliche Ausdrucksweise und über das noch junge, überaus gut geschnittene Gesicht des Mannes. Wäre er kein Zylone, hätte er Gefallen an ihm gefunden. Allerdings hatte er sich aus irgendwelchen Gründen mit allerlei Schmutz verunstaltet, so als sei es bereits sündhaft, ein schönes Gesicht zu haben.
»Ich bin Gaidaron. Man sagte mir, ihr hättet ein Dämonenproblem?«
»So ist es.« Tiyamanai führte ihn durch einen schmalen Gang in eine größere Halle, die bis auf eine Statue und einen großen Altartisch völlig leer war. Von ihr zweigten mehrere Türen ab. Die Statue zeigte eine sitzende Gestalt, deren Augen verbunden waren. Ob Frau oder Mann vermochte Gaidaron nicht zu sagen, da sie von einem faltenreichen Gewand verhüllt wurde. Er fragte sich, ob das Morphor war, sagte aber nichts und wartete auf Tiyamanais Erklärungen.
»Ich kann Euch leider keinen Platz anbieten. Der Tempel ist nicht für Bequemlichkeiten eingerichtet, und in eine unserer Höhlen konnte ich Euch auch nicht einladen.«
»Das macht nichts«, erwiderte Gaidaron kühl. »Sagt mir nur, worum es geht, denn je nach Fall muss ich gewisse Vorbereitungen für die Austreibung des Dämons treffen.«
»Natürlich. Wie weit seid Ihr mit unseren Gepflogenheiten vertraut?«
»Mit euren Bräuchen? Sehr wenig,
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