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Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne

Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne

Titel: Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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hinaus.
    Was für ein künstliches Gebilde aus Hochmut, Gier und Faulheit ist dieser Palast
, dachte Rastafan kopfschüttelnd, während er sich dem Gesetzentwurf Jaryns zuwandte. Er kannte jetzt schon die meisten Buchstaben, aber immer noch konnte er nicht lesen. Denn wenn er ein Wort entzifferte, erschloss sich ihm doch nicht der Sinn des ganzen Satzes. Dennoch hielt er das aus gebundenen Pergamenten bestehende Werk gern in den Händen, strich darüber und fühlte sich wenigstens dem Geiste Jaryns dadurch verbunden. Seinen Körper hatte er für immer verloren.
    Es mochte eine Stunde vergangen sein, als ein gewisser Lenthor um Audienz bat. Rastafan erinnerte sich des Namens vom Gerichtsverfahren her. Er legte den Gesetzentwurf zur Seite und ließ bitten.
    Auch Lenthor durfte sich nicht der Annehmlichkeit einer Sitzgelegenheit bedienen, denn Rastafan erhob sich bei seinem Eintreten, aber es schien ihm nicht so wichtig zu sein wie Lamandrion. Er verneigte sich knapp vor Rastafan. »Verzeiht die Störung, Herr. Es geht um eine äußerst dringende Angelegenheit.«
    Einer, der den Erlass doch verinnerlicht hat
, dachte Rastafan belustigt. »Das setze ich voraus, wenn Ihr mich aufsucht. Also sprecht!«
    »Lamandrion, der königliche Bewahrer der Umgangsformen, war bei mir. Ihr habt ihn entlassen? Darf ich fragen, was er sich hat zuschulden kommen lassen?«
    Rastafan lächelte herablassend. »Er ist überflüssig und hat dafür eine beträchtliche Vergütung bekommen. Als ich darauf stieß, habe ich diesem Umstand ein Ende bereitet.«
    Lenthor wirkte erschüttert. »Aber dieses Amt besteht schon seit Beginn der Dynastie Fenraond. Es ist erblich.«
    »Soll ich dafür verantwortlich sein, dass Überflüssiges durch die Jahrhunderte geschleppt worden ist? In meinen Augen ist das Geldverschwendung. Die Aufgaben Lamandrions wird zukünftig ein gewöhnlicher Beamter wahrnehmen.«
    Lenthor starrte Rastafan fassungslos an. Ihm war offensichtlich nicht bewusst, wie unhöflich, ja geradezu beleidigend das war. Bevor er antworten konnte, musste er ein paar Mal ansetzen und Luft holen. Er schien um die richtigen Worte zu ringen. »Herr! Erlaubt Ihr mir, Euch auf gewisse Dinge aufmerksam zu machen?«
    Rastafan versagte sich ein amüsiertes Grinsen. »Aber ja, wenn sie vernünftig sind.«
    »Ihr greift hier in unumstößliche Traditionen ein. Es mag im Palast etliche Leute geben, die nicht wie ein Steinhauer von morgens bis abends arbeiten, dennoch sind sie unverzichtbar für die Hofhaltung eines mächtigen Herrschers.«
    »Eines mächtigen oder eines ohnmächtigen Herrschers, den man mit ›Gottgleicher‹ und ›Erhabener‹ anredet, weil es seiner Eitelkeit schmeichelt. Dem man vorgaukelt, dass alles zum Besten steht, während man es sich unter dem Mantel einer veralteten Überlieferung gut gehen lässt wie die Fliegen im Honigtopf.«
    Lenthor glaubte, sich verhört zu haben. Er meinte, das Knirschen im Gebälk zu hören, das den Zerfall Margan’scher Herrlichkeit einleitete. »Herr!«, stieß er bestürzt hervor. »Der Palast ist ein gewachsener Organismus, in den man nicht ungestraft eingreifen darf.«
    »Dieses Wachstum ist seit langer Zeit stehen geblieben, Lenthor. Der Palast gleicht heute einem verkrüppelten Baum, der keine neuen Triebe ansetzt. So ein Baum wird gefällt und ins Feuer geworfen.«
    »Ins – ins Feuer?«, stammelte Lenthor.
    »Ja, in ein reinigendes Feuer. Alles, was unnütz ist, wird hinausgeworfen und verbrannt, damit etwas Neues entstehen kann.«
    »Und was soll dieses Neue sein?«, fragte Lenthor, Böses ahnend.
    »Vor allem, dass sich euer König nicht mehr wie ein Götze anbeten lässt, sondern selbst in die Gesetze und Geschicke dieses Landes eingreift. Das mag dem einen oder anderen nicht gefallen. Aber Herrscher kommt von herrschen. Bist du anderer Meinung, Lenthor?«
    Die vertrauliche Anrede konnte nichts Gutes bedeuten. Lenthor wich die letzte Farbe aus dem Gesicht. »Ich …«
    »Du bist der Zweite, der von diesem frischen Wind erfasst wird, Lenthor. Denn wenn ich mich nicht irre, warst du der ›Mund des Königs?‹ Nun, du wirst bemerkt haben, dass ich selber der Sprache mächtig bin, also benötige ich dich nicht mehr. Oder kannst du noch andere Qualitäten vorweisen, die dich berechtigen, deinen Posten zu behalten? Bist du mehr als des Königs Papagei? Kannst du noch etwas anderes, als dem König das einzuflüstern, was er hören will?«
    Lenthor, einst der nächste Vertraute Dorons, sank

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