Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
Die Sonne war jetzt ein feuerroter Ball am Horizont und verschwand rasch hinter den Dünen. Schlagartig wurde es kühler. Und dann überfiel sie das Entsetzen: Der See war nicht mehr da. Er war einfach verschwunden.
Caelian war so erschüttert, dass er sich einfach in den Sand fallen ließ. Da, wo das Wasser gewesen war, gab es nur noch die erstarrten Wogen des ewigen Sandes. Es war, als habe ein durstiger Dämon alles Wasser aufgesogen. Aber Dämonen gab es nicht, oder?
Jaryn stand da wie eine Statue und starrte ungläubig auf die Stelle, wo sich soeben noch der See befunden hatte. Er war groß gewesen, nicht zu übersehen. Er musste einfach noch da sein. Vielleicht versperrten ihnen die Sandberge die Sicht? Doch dann fiel Jaryns Blick auf Laila, und er wusste, dass sie verloren waren. Da drüben am Horizont gab es kein Wasser, hatte es nie welches gegeben. Denn sonst hätte Laila es gewittert und wäre voran getrabt. Aber sie stand da mit hängenden Ohren und traurigem Blick als herzzerreißender Beweis ihrer verhängnisvollen Fehleinschätzung.
Caelian warf Jaryn einen irren Blick zu. »Siehst du etwas?«
»Nein«, kam es hart zurück. »Weil da nichts ist. Wir haben uns getäuscht. Dabei haben wir den See doch beide gesehen.«
»Eine Fata Morgana«, flüsterte Caelian.
»Was?«, rief Jaryn heiser. »Was ist das?«
»Ein Trugbild in der Wüste. Ich erinnere mich, dass mein Vater das einmal erwähnt hat. Man glaubt, Wasser zu sehen, aber es sind nur Luftspiegelungen.«
»Und das fällt dir jetzt erst ein?«, schrie Jaryn mit überschnappender Stimme.
»Ja, tut mir leid. Ich hatte es vergessen. Ich war noch sehr klein, als ich davon hörte.«
Jaryn ließ sich völlig ausgelaugt neben ihn fallen. »Schon gut. Es ist nicht deine Schuld. Aber es ist dir klar, dass wir jetzt so gut wie tot sind?«
»Wir haben doch noch Wasser. Wir kehren zum Weg zurück. Morgen früh.«
»Wir können es versuchen, aber wir werden ihn nicht finden. Hier sieht alles gleich aus, und unsere Fußspuren sind bereits verweht.«
Caelian sagte nichts darauf. Schweigend richteten sie ihr Zelt auf. Jaryn versorgte Laila, aber er musste mit Futter und Wasser auch bei ihr sparen. Dann verzehrten sie ihr karges Abendbrot und wickelten sich in ihre Decken, begleitet von Lailas schrillen Rufen, weil sie nicht satt geworden war.
In den nächsten Tagen irrten sie im Kreis herum. Zum Weg fanden sie nicht zurück. Sie wurden immer schwächer und schweigsamer. Die Sanddünen waren haushoch, sie hatten nicht mehr die Kraft, sie zu ersteigen. Und dann kam der Tag, da tranken sie den letzten Schluck Wasser. Sie legten sich einfach in den Sand und warteten auf das Ende.
»Wie lange wird es dauern?«, flüsterte Caelian.
»Bis wir verdurstet sind? Ich weiß es nicht, aber es wird qualvoll sein. Bei Achay, ich kann nicht glauben, dass uns bestimmt ist, so zu enden.«
»Wir – wir könnten das Blut von Laila trinken«, schlug Caelian leise vor.
Jaryn, so schwach er war, warf sich über Caelian, sein Gesicht war wutverzerrt. »Sag das noch einmal!«
»Lass mich doch los! Ich will hier nicht verdursten. Es ist Brauch in der Wüste, das Blut der Tiere zu trinken, wenn kein Wasser da ist.«
»Diesen widerlichen Brauch könnt ihr Achladier befolgen!«, zischte Jaryn und spie ihm ins Gesicht. »Laila hat uns treu gedient, unsere Lasten geschleppt, mit uns den Durst ertragen, und du willst ihr Blut?« Er riss den Dolch von der Hüfte und drückte ihn Caelian in die Hand. »Hier! Trinke mein Blut, wenn du durstig bist. Aber nicht das eines wehrlosen Tieres.«
»Jaryn!«, schrie Caelian und wand sich unter ihm. »Du bist ja wahnsinnig! Deine Laila wird ebenso qualvoll verdursten wie wir. Du solltest sie von ihren Qualen erlösen.«
»Ihr die Kehle durchschneiden? Lieber ersticke ich im Sand. Da!« Er raffte eine Handvoll zusammen und wollte ihn sich in den Mund stopfen.
Caelian konnte ihm die Hand noch rechtzeitig zur Seite schlagen. »Dann töte mich! Ich halte dieses langsame Sterben nicht aus!«
»Vielleicht geschieht ein Wunder«, stammelte Jaryn. Da knickte Laila in den Vorderbeinen ein und fiel in den Sand. Sofort stieß sie ihre trompetenhaften Laute aus, aber sie wurden bereits schwächer.
Jaryn umklammerte ihren Hals und begann laut zu schluchzen. »Hör doch auf zu schreien, bitte, hör auf!«
Caelian starrte mit glasigen Augen vor sich hin. »Jetzt holen uns die Dämonen doch noch.«
»Komm her, Caelian. Fühle, wie warm und weich
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