Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
die Dünen, peitschte riesige Sandschleier aus ihren Kämmen, riss sie mit sich, und die Welt dahinter versank in Dunkelheit.
Laila schrie durchdringend und zerrte am Strick, beinahe wäre er Jaryn aus den Händen geglitten. »Ein Sandsturm!«, schrie Jaryn. »Die Satteltaschen!« In fliegender Hast löste Caelian die Gurte, keine Sekunde zu früh. Laila stob in wahnsinniger Angst davon. Nur wenige Sekunden später war das Unwetter heran. Wie eine gigantische Faust streckte es sie zu Boden. Jaryn klammerte sich an seine Tasche. Er schrie nach Caelian, aber seine Schreie wurden vom Sturm zerfetzt und gingen im Heulen und Fauchen der toll gewordenen Sandmassen unter. Um ihn war Schwärze, als sei er in Razoreths Schlund gestürzt. Die Sandkörner trafen ihn wie mit tausend spitzen Pfeilen. Vergeblich versuchte er, sein Gesicht in der Kapuze zu bergen, sie wurde ihm vom Kopf gerissen.
Der Sand drohte ihn zu begraben. Sobald er Luft holte, schluckte er Sand. Halb erstickt kroch er vorwärts, das Gesicht auf das Leder der Tasche gepresst. Wohin wollte er? Er wusste es nicht. Vor dem Sandsturm gab es kein Entrinnen, und doch trieb ihn ein Urinstinkt zur Flucht. Wie ein Wurm bewegte er sich, um den Ausgang aus diesem Chaos zu finden. Sein Knie stieß plötzlich hart gegen einen Stein, er stöhnte auf. Gleichzeitig keimte Hoffnung in ihm auf. Er wühlte mit den Händen im Sand und stieß auf Felsen. Das waren die Ausläufer des Gebirges! Wo es Felsen gab, gab es auch Schutz. Er hatte es noch nicht zu Ende gedacht, da gab der Boden unter ihm nach, er stürzte, stieß mit dem Kopf gegen etwas Hartes und verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, hätte er glauben können, den Sandsturm nur geträumt zu haben. Die schwarze Wand war fort, der Himmel erstrahlte in reinstem Blau. Aber es war kein Traum gewesen, denn er lag unterhalb einer Felswand, von der er gefallen war. Zum Glück war sie nur mannshoch gewesen. Sein Kopf war gegen einen Stein geprallt. Er befühlte die Wunde. Das Blut war bereits getrocknet. Benommen quälte er sich in die Höhe und sah sich um. Er befand sich in einer felsigen Landschaft. Die Nischen hatte der Sand zugeweht, aber die meisten Felsen ragten in den unterschiedlichsten Formen aus ihm heraus. Rötlicher Stein, gebettet in weißen Sand. Es war ein großartiger Anblick, aber Jaryn hatte momentan dafür kein Auge. Er beobachtete die Felskante über ihm. Dort zeigte sich niemand, und alles war still.
Er überlegte, ob er sich einen Weg hinauf suchen oder lieber im Schutze der Felsen weitergehen sollte. Aber ohne Caelian wollte er diesen Ort nicht verlassen, oben jedoch mochte die Mabraontsippe auf ihn warten. Wenn Caelian überlebt hatte, war er womöglich wieder in deren Gewalt. Um das festzustellen, musste Jaryn jedoch zum alten Pfad zurückkehren. Das erschien ihn am richtigsten. Vorher jedoch entledigte er sich all seiner Kleider und schüttelte den Sand aus ihnen heraus.
»Was erblicke ich denn da? Ein nackter Mann in der Wüste? Das wird doch nicht wieder bloß eine Fata Morgana sein?«, hörte er plötzlich eine helle Stimme.
Jaryn fuhr herum. Caelian stand grinsend neben einem Felsen und musterte ihn ungeniert.
»Caelian!« Alle Erleichterung der Welt lag in diesem Ausruf. »Achay sei Dank, du lebst.« Dann erinnerte sich Jaryn daran, dass er nackt war, und hielt sich schnell den Kittel vor den Leib. »Wirst du dich wohl umdrehen, während ich mich anziehe?«
Aber an dem scherzhaften Unterton merkte Caelian, dass die Empörung nicht ernst gemeint war. »Ich denke gar nicht daran. Das weckt meine Lebensgeister, und das habe ich jetzt nötig.«
»Du würdest doch tatsächlich in dieser Situation …? Sag mal, wo sind die anderen, weißt du das?«
»Ja, sie haben alle überlebt. Ich habe sie fortreiten sehen. Nach uns haben sie nicht mehr gesucht. Entweder hielten sie uns für tot oder sie wollten sich die Mühe nicht mehr machen.«
Jaryn nickte, während er sich wieder ankleidete. »Ich glaube, in diesem Felsenlabyrinth wird es ihnen auch schwerfallen, uns zu finden. Zum Glück haben wir unsere Satteltaschen gerettet. Jetzt kann es nicht mehr weit sein, bis wir die ersten Dörfer erreichen.«
Caelian kam herbei und stand jetzt dicht bei Jaryn. »Du blutest ja.«
»Nur ein Kratzer. Mir geht es gut. Und dir?«
»Wieder ganz gut. Bei Zarad! So ein Sandsturm kann einen schon das Fürchten lehren und den Glauben an Dämonen.«
Jaryn lächelte. »Ja, jetzt haben wir ihr Heulen
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