Lacunars Fluch, Teil 3: Wüstensöhne
in einem langen, sonnengelben Gewand. Ihr graues Haar fiel ihr in zwei Zöpfen bis tief in den Rücken. Sie war mit einer Handarbeit beschäftigt.
Als sie Schritte hörte, wandte sie sich um. Sie sah, dass Maeva Besuch mitbrachte, legte ihr Stickzeug beiseite und erhob sich. »Du bringst uns Fremde mit? Was für eine freudige Überraschung!«
»Ja Usa. Das hier ist mein Bruder Caelian und jener sein Freund Jaryn. Sie sind beide Mondpriester in Jawendor und kamen mich besuchen. Gestern sind sie in Faemaran angekommen.«
Die beiden verneigten sich ehrerbietig vor der bejahrten Priesterin. Ihre Gesichtszüge strahlten jene unzerstörbare Jugend aus, die weisen Menschen zu eigen war. Jaryn erinnerte sie an Anamarna, bei dem er ähnlich empfunden hatte.
Usa klatschte in die Hände. »Mondpriester? Alathaia sei gepriesen. Unser Mondtempel ist nur noch eine Ruine. Aber setzt euch doch. Maeva hat mir schon von ihrem Bruder erzählt. Du bist damals nach Margan gegangen, nicht wahr?«
»Ja, um Zarad zu dienen, was mir hier nicht mehr möglich war.«
»Daran hast du gut getan, Caelian.« Sie sah Jaryn an. »Ihr seid Freunde? Ach, wärst du einer der Sonnenpriester, dann wäre meine Freude vollkommen.«
Jaryn wurde dunkelrot und räusperte sich. »Auf so eine Freundschaft werden wir wohl noch lange warten müssen.«
Auch Caelian wirkte verlegen. Das ständige Lügen behagte ihm nicht. Aber es stand zu viel auf dem Spiel, und sie wussten nicht, wem sie trauen konnten. Natürlich war Maeva seine Schwester, aber sie konnte sich unabsichtlich verplappern, das wollte er nicht riskieren.
Deshalb drehte sich ihre Unterhaltung um die üblichen Neuigkeiten und ging nicht weiter in die Tiefe. Usa war ebenso wie Radomas über die wichtigsten Vorkommnisse in Margan unterrichtet. Aber sie wusste noch ein bisschen mehr. »Ich habe kürzlich von meinem fernen Freund Anamarna ein Schreiben erhalten, dass er berechtigte Hoffnungen hegt, der Nachfolger Dorons könne sich als ein guter König erweisen und die alten Verkrustungen aufbrechen, vielleicht sogar einen Frieden stiften zwischen Jawendor und Achlad. Immerhin ist er Lacunars Neffe. Was wisst ihr darüber? Stehen seine Hoffnungen auf festem Grund, oder sind es nur die Träume eines Mannes, der sie am Ende seines Weges alle zerrinnen sah?«
Caelian sah, wie sich Jaryns Miene verdüsterte, aber er wollte weder Anamarna Unrecht tun, der doch offensichtlich an Rastafan glaubte, noch die Priesterin hoffnungslos zurücklassen. »Rastafan ist anders als Doron«, begann er wider besseres Wissen. »Er ist entschlossen, etwas zu verändern. Den Problemen geht er mit Tatkraft zu Leibe. Anamarna und Jawendor dürfen hoffen.«
»Das walte Achay«, murmelte Jaryn.
»Achay?«, fragte Usa.
»Oh …, ich wollte sagen, Achay in Eintracht mit Zarad, denn immer noch sind es die Sonnenpriester, die sich einer Versöhnung in den Weg stellen.«
In meinem ganzen Leben habe ich nicht so viel gelogen
, dachte Jaryn.
Die Sache läuft nicht gut. Wir sollten doch bald verschwinden.
Aber Usa verweilte nicht länger bei dieser heiklen Sache. »Nun, wir werden ja sehen, was wir vom Neffen Lacunars zu erwarten haben«, seufzte sie. »Es war schön, mit euch zu plaudern. Bitte besucht mich morgen wieder, ich möchte unsere Unterhaltung gern fortsetzen. Ich habe noch so viele Fragen. Jetzt beginnt ein kleines Ritual im Tempel, das ich nicht versäumen möchte.« Sie nickte Maeva zu.
Jaryn und Caelian waren erleichtert. Sie bedankten sich und versprachen, am nächsten Tag wiederzukommen, aber keiner von beiden hatte die Absicht, das zu tun.
Den Rest des Tages verbrachten sie damit, sich die Stadt anzusehen. Erst am Abend, als sie allein auf ihrem Zimmer waren, hatten sie Muße, über ihre weiteren Pläne zu sprechen. Zuerst waren sie dafür, ihre Zelte abzubrechen. Doch während des Gesprächs kamen sie zu einem anderen Entschluss.
»Wir haben nur zwei Möglichkeiten«, sagte Jaryn. »Entweder wir verschwinden von hier, oder wir sagen die volle Wahrheit.«
»Wem?«
»Deiner Schwester und Usa.«
»Und dann?«
»Ich weiß es nicht. Das wird sich finden. Aber mir will es nicht gefallen, dass wir diesen Ort still und leise wieder verlassen, wo er uns doch geradezu zwingt, noch zu bleiben. Überall stoßen wir auf Zeichen, die wir nicht missachten sollten.«
»Ich teile ja deine Ansicht, und ich fürchte nichts für mich. Aber wenn die Wahrheit in die falschen Ohren gerät, könnte das ein Gemetzel zur
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