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L'Adultera

L'Adultera

Titel: L'Adultera Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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halb alter Damen, die zu Weihnachten be-
    schenkt und im Laufe des Jahres zu Kaffees und
    Landpartien eingeladen wurden. Es waren ihrer sie-
    ben oder acht, unter denen jedoch zwei durch eine
    besonders intime Stellung hervorragten, und zwar
    das kleine verwachsene Fräulein Friederike von Sa-

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    watzki und das stattlich hochaufgeschossene Klavierund Singefräulein Anastasia Schmidt. Ihrer apart
    bevorzugten Stellung entsprach es denn auch, daß
    sie jeden zweiten Osterfeiertag durch van der Straaten in Person befragt wurden, ob sie sich entschlie-
    ßen könnten, seiner Frau während der Sommermo-
    nate draußen in der Villa Gesellschaft zu leisten, eine Frage, die jedesmal mit einer Verbeugung und einem
    freundlichen »Ja« beantwortet wurde. Aber doch
    nicht zu freundlich, denn man wollte nicht verraten, daß die Frage erwartet war.
    Und beide Damen waren auch in diesem Jahre, wie
    herkömmlich, als Dames d'honneur installiert wor-
    den, hatten den Umzug mitgemacht und erschienen
    jeden Morgen auf der Veranda, um gegen neun Uhr
    mit den Kindern das erste und um zwölf mit Melanie
    das zweite Frühstück zu nehmen.
    Auch heute wieder.
    Es mochte schon gegen eins sein, und das Frühstück
    war beendet. Aber der Tisch noch nicht abgedeckt.
    Ein leiser Luftzug, der ging und sich verstärkte, weil alle Türen und Fenster offenstanden, bewegte das
    rotgemusterte Tischtuch, und von dem am andern
    Ende des Korridors gelegenen Musikzimmer her hör-
    te man ein Stück der Cramerschen Klavierschule,
    dessen mangelhaften Takt in Ordnung zu bringen
    Fräulein Anastasia Schmidt sich anstrengte. »Eins
    zwei, eins zwei.« Aber niemand achtete dieser An-
    strengungen, am wenigsten Melanie, die neben Fräu-
    lein Riekchen, wie man sie gewöhnlich hieß, in einem 58
    Gartenstuhle saß und dann und wann von ihrer
    Handarbeit aufsah, um das reizende Parkbild unmit-
    telbar um sie her, trotzdem sie jeden kleinsten Zug darin kannte, auf sich wirken zu lassen.
    Es war selbstverständlich die schönste Stelle der
    ganzen Anlage. Denn von hundert Gästen, die ka-
    men, begnügten sich neunundneunzig damit, den
    Park von hier aus zu betrachten und zu beurteilen.
    Am Ende des Hauptganges, zwischen den eben er-
    grünenden Bäumen hin, sah man das Zittern und
    Flimmern des vorüberziehenden Stromes, aus der
    Mitte der überall eingestreuten Rasenflächen aber
    erhoben sich Aloën und Bosquets und Glaskugeln
    und Bassins. Eines der kleineren plätscherte, wäh-
    rend auf der Einfassung des großen ein Pfauhahn saß und die Mittagsonne mit seinem Gefieder einzusaugen schien. Tauben und Perlhühner waren bis in un-
    mittelbare Nähe der Veranda gekommen, von der
    aus Riekchen ihnen eben Krumen streute.
    »Du gewöhnst sie zu sehr an diesen Platz«, sagte
    Melanie. »Und wir werden einen Krieg mit van der
    Straaten haben.«
    »Ich fecht' ihn schon aus«, entgegnete die Kleine.
    »Ja, du darfst es dir wenigstens zutrauen. Und wirklich, Riekchen, ich könnte jaloux werden, so sehr
    bevorzugt er dich. Ich glaube, du bist der einzige
    Mensch, der ihm alles sagen darf, und soviel ich
    weiß, ist er noch nie heftig gegen dich geworden. Ob ihm dein alter Adel imponiert? Sage mir deinen vol-59
    len Namen und Titel. Ich hör' es so gern und ver-
    gess' es immer wieder.«
    »Aloysia Friederike Sawat von Sawatzki, genannt
    Sattler von der Hölle, Stiftsanwärterin auf Kloster Himmelpfort in der Uckermark.«
    »Wunderschön«, sagte Melanie. »Wenn ich doch so
    heißen könnte! Und du kannst es glauben, Riekchen,
    das ist es, was einen Eindruck auf ihn macht.«
    Alles das war in herzlicher Heiterkeit gesagt und von Riekchen auch so beantwortet worden. Jetzt aber
    rückte diese den Stuhl näher an Melanie heran,
    nahm die Hand der jungen Frau und sagte: »Eigent-
    lich sollt' ich böse sein, daß du deinen Spott mit mir hast. Aber wer könnte dir böse sein!«
    »Ich spotte nicht«, entgegnete Melanie. »Du mußt
    doch selber finden, daß er dich artiger und rück-
    sichtsvoller behandelt als jeden andren Menschen.«
    »Ja«, sagte jetzt das arme Fräulein, und ihre Stimme zitterte vor Bewegung. »Er behandelt mich gut, weil er ein gutes Herz hat, ein viel besseres, als mancher denkt, und vielleicht auch, als du selber denkst. Und er ist auch gar nicht so rücksichtslos. Er kann nur nicht leiden, daß man ihn stört oder herausfordert, ich meine solche, die's eigentlich nicht sollten oder dürften. Sieh, Kind, dann beherrscht er sich nicht
    länger, aber

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