Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)

hingebungsvolle Pflege ihn nicht retten. Sein scharfer Verstand trübte sich zusehends, bis er am 26. September starb.
    Aubrey war erst 43 Jahre alt; und er hinterließ vier kleine Kinder. Sein Nachruf würdigte seinen unbeugsamen Geist und das intensive Leben, das er in einer solch kurzen Zeitspanne geführt hatte. Er war ein Sprachgenie gewesen, war weit gereist, hatte im Krieg gekämpft und verhandelt, war als Abgeordneter stets seiner Überzeugung gefolgt, war für kleine Nationen, insbesondere Albanien, eingetreten, hatte Gedichte geschrieben und mit seinem bemerkenswerten Charme Freunde aus aller Welt angezogen. Seine Frau, seine Mutter, sein jüngerer Bruder Mervyn sowie seine Schwestern Winifred, Margaret und Vera setzten ihn in der Brushford Church in Exmoor bei. Beim Gedenkgottesdienst, der in Piccadilly für ihn gehalten wurde, war die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt.
    Seine Mutter Elsie hatte nunmehr ihren Mann und ihr ältestes Kind zu Grabe getragen, doch sie ertrug stoisch und tapfer ihr Schicksal. Sie hatte ihr Leben in Würde gelebt, ihre Ziele mit aller Tatkraft verfolgt und andere ermuntert, es ihr gleichzutun. Nach dem Tod ihres geliebten Sohnes gründete sie Krankenhäuser, Schulen und Malaria-Kliniken in Albanien sowie ein Flüchtlingsdorf, das sie im Gedenken an ihren Sohn Herbert nannte.
    Nachdem die Familie in einem einzigen Jahr zwei Todesfälle zu verschmerzen hatte, wollten sich nun alle auf Evelyns Hochzeit konzentrieren. Mary, Aubreys Witwe, und Almina übernahmen gemeinsam die Organisation. Marys Hilfe war dabei unverzichtbar, da Almina zur gleichen Zeit im Begriff war, ein neues Haus zu kaufen. Sie und Ian beabsichtigten zu heiraten und nach Schottland zu ziehen.
    Am 8. Oktober 1923 heiratete Lady Evelyn Herbert Mr Brograve Beauchamp in St Margaret’s, Westminster. Sie hatte zehn kleine Brautjungfern in ihrem Gefolge, und ihr Bruder, der Earl of Carnarvon, übergab sie ihrem zukünftigen Ehemann. Es gibt ein wunderschönes Foto, auf dem das frischvermählte Paar aus der Kirche tritt und von dem das Glück geradezu auf den Betrachter überspringt. Brograve, knapp 30 Zentimeter größer als Eve, strahlt in die Kamera, glücklich darüber, die Frau geheiratet zu haben, die er liebt. Eve trägt ein kostbar verziertes Kleid mit tiefer Taille und einem modischen, bodenlangen Spitzenschleier, den sie über dem Haar zurückgeworfen hat, und beugt sich lachend zu einem Gratulanten hinüber. Sie sieht der jungen Almina zum Verwechseln ähnlich.
    Ende 1923 war einer unscheinbaren Anzeige in der Times ein weiteres Familienereignis zu entnehmen: Die Vermählung von Almina, Lady Carnarvon, und Lieutenant Colonel Ian Dennistoun hatte in einem Standesamt in London stattgefunden. Als Zeugen waren nur Eve und Brograve zugegen. Almina und ihr neuer Ehemann verbrachten das Weihnachtsfest allein in ihrem neu erworbenen Haus in Schottland, während Eve und Brograve nach Highclere reisten, um die Festtage dort zusammen mit Catherine und Porchy zu verleben. Auch Dr. Johnnie war zugegen. Die Atmosphäre war von der freudigen Erwartung des Babys geprägt, doch vor der Ankunft des neuen Bewohners sollte es noch einen Abschied geben. Es war das letzte Weihnachten, an dem Streatfield der Familie diente. Er hatte beschlossen, in den Ruhestand zu treten, und so würde George Fearnside an seiner Stelle zum Hausverwalter aufsteigen. Streatfield blickte auf fast 40 Dienstjahre zurück und überdauerte damit, wie er es immer schon vermutet hatte, Almina in Highclere, deren Ankunft er 1895 miterlebt hatte. Countessen kommen und gehen, aber ein guter Hausverwalter bleibt ein Leben lang.
    Der neue Lord Carnarvon hatte den kleinsten Mitarbeiterstab in der Geschichte des Schlosses. Major Rutherford war inzwischen von einem seiner Söhne abgelöst worden, doch er hatte auf den Einsparungen bestanden, um die der 5. Earl kurz vor seinem Tod gebeten hatte. Es brach eine Zeit an, in der man den Gürtel enger schnallte. Doch trotz alledem und trotz der Umwälzungen, die der Krieg quer durch die Gesellschaftsschichten mit sich gebracht hatte, war Highclere immer noch eine Gemeinschaft von Menschen, die überwiegend in Einvernehmen zusammen lebten und arbeiteten. Nach Kriegsende ließen einige Stimmen das Ende des großen englischen Landhauses verlauten, was sich jedoch nicht bestätigen sollte. Trotz der ökonomischen und politischen Veränderungen der 20er- und 30er-Jahre blieb Highclere Kulisse für glamouröse Feiern.