Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)
weiße Krawatte an, wenn sich Lord Carnarvon zum Diner umkleidete, da er im Speisezimmer Dienst tun würde. Die Diener tauschten die Livrees gegen weiße Kniehosen, blaue Jacken und gepuderte Perücken ein. Die weiblichen Bediensteten trugen blaue Kleider, weiße Schürzen und mit Rüschen besetzte Hauben: Je höher ihr Rang, desto aufwendiger war ihre Haube gearbeitet. Mrs Bridgland, die sich an der Spitze der Hierarchie befand, trug keine Schürze, während die Tellerwäscherin in der untersten Position nur mit einem einzigen Arbeitskleid, aber mit mehreren Schürzen ausgestattet war, die sie ständig wechseln musste.
Der Haushalt des Schlosses lief wie ein Uhrwerk, in dem Neuankömmlingen niedere Arbeiten zugeteilt wurden, um sie mit dem Prozedere vertraut zu machen. Jeder Angestellte hatte zu bestimmten Tageszeiten unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Die Tellerwäscherin stand um sechs Uhr morgens auf und machte in der Küche Feuer, damit die Bediensteten höheren Ranges Tee trinken konnten. Während gekocht wurde und nach den Mahlzeiten war sie überaus beschäftigt damit, das Geschirr zu spülen, sodass sie von der Zeit des Frühstücks an bis lange nachdem die Familie das Abendessen eingenommen hatte, bis zu den Ellbogen in Sud und Fett steckte. Ein Hausmädchen genoss vielleicht im Laufe des Nachmittags eine Stunde relativer Ruhe. Andererseits standen auch die Hausmädchen vor Tagesanbruch auf, um die umfangreiche und wichtige Aufgabe in Angriff zu nehmen, im ganzen Haus Dutzende Kaminfeuer anzuzünden. Ein junges Hausmädchen wurde zunächst einmal angewiesen, den Kaminrost im Zimmer der Wirtschafterin zu reinigen. Dies erledigte sie so lange, bis sie den richtigen Dreh herausbekommen hatte und darauf vertraut werden konnte, dass sie in den Empfangsräumen nicht die Teppiche beschmutzen würde.
Die Kamine mussten von der Asche des Vortags befreit und mit frischem weißen Papier ausgelegt werden, bevor die Diener die heißen Kohlen hereinbrachten, um das Feuer anzuzünden. Nach dem Frühstück begannen die Hausmädchen damit, die Zimmer aufzuräumen und die Betten zu machen. Diese Tätigkeit konnte bis mittags andauern, wenn die Familie Gäste beherbergte. Die Bediensteten nahmen das Mittagessen um 12 Uhr, eine Stunde vor den Herrschaften, im Gesinderaum ein. Hatten die Carnarvons mit ihren Gästen den Nachmittagstee zu sich genommen und sich zu einer Partie Bézique in der Bibliothek oder einem Spaziergang im Park zurückgezogen, hatten die Hausmädchen in allen Räumen, die die Herrschaft vorher genutzt hatte, aufzuräumen. Sie schüttelten die Kissen auf, leerten die Aschenbecher und bürsteten Teppiche, um die Fußspuren zu beseitigen. Die Aufgabe, in den Empfangsräumen einen Zustand tadelloser Sauberkeit wiederherzustellen, konnte fortgesetzt werden, während sich die Familie und ihre Gäste zum Diner umkleideten, doch schloss sich dann gleich eine neue Arbeitsrunde in den Schlafzimmern an. Nun mussten noch weitere Feuer geschürt und zahllose Eimer mit warmem Wasser in die oberen Stockwerke gebracht werden. Badezimmer wurden in Highclere Castle erst 1897 eingerichtet, bis dahin nahm man in frei stehenden Bottichen vor dem Kamin des Schlafzimmers ein Bad. Wenn sich 25 Gäste in Highclere aufhielten, waren insgesamt 30 Kamine zu befeuern und 30 Bottiche zu füllen. Also herrschte auf den Dienstbotentreppen viel Betrieb, wobei angestrengt darauf geachtet wurde, kein Wasser zu verschütten. Selbst als die Wasserleitungen installiert worden waren, wurden noch Krüge mit warmem Wasser in die oberen Stockwerke getragen. Alte Gewohnheiten sterben nur langsam aus, und manche Gäste zogen es vor, statt der marmorverkleideten Waschbecken Krug und Schüssel zu benutzen.
Die Hauptküche von Highclere Castle ist ein großzügig ausgelegter Raum mit hohen, bis über den Scheitel eines groß gewachsenen Mannes gefliesten Wänden. An einer Wand hing eine riesige, elegante, in Holz eingefasste Uhr, die es jedermann ermöglichte, den von der Köchin vorgegebenen engen Zeitplan einzuhalten. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch. Gwendolin Gray, die in Highclere Castle als Tellerwäscherin begann und später Küchenmädchen wurde, erinnerte sich an »den riesigen Ofen, für den jeweils am Morgen und um fünf Uhr nachmittags fünf Schütten Kohle benötigt wurden, den langen blank geschrubbten Tisch und die Regale mit glänzenden Kupfertöpfen – daran, wie stolz ich als Küchenmädchen auf diese
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