Lady Almina und das wahre Downton Abbey: Das Vermächtnis von Highclere Castle (German Edition)

Windes an einer Schiffsschraube fest. Als er den Halt verlor, schwamm er instinktiv zu einem weit entfernten Trawler. Nachdem er das Boot erreicht hatte, stellte er fest, dass er zu erschöpft war, um sich an der Seitenwand hochzuziehen. Er stand kurz davor, aufzugeben und sich mit dem Ertrinken abzufinden, als ihn eine riesige Welle an Deck spülte. Saxton traf in Alminas Krankenhaus im Schockzustand, unterkühlt und mit Knochenbrüchen ein. Dennoch hatte er Glück gehabt. Die Formidable war das erste der »Dreadnought« genannten englischen Großkampfschiffe, das in diesem Krieg versenkt wurde, und von den 750 Besatzungsmitgliedern wurden nur 199 gerettet.
    Saxton sprach auf die Behandlung in Highclere wunderbar an und hatte sich bald gut genug erholt, um in eines der Genesungsheime verlegt zu werden, die als Zwischenstationen dienten, bevor die Männer wieder in den Krieg zogen. Viele dieser Heime wurden von Bekannten Alminas geführt. Lady Carnarvon arrangierte selbst den Transport und sorgte dafür, dass die Rekonvaleszenten mit einer vollständigen Dokumentation ihrer medizinischen Betreuung überstellt wurden. Trotman, der Chauffeur des Earls, brachte die Männer zum Bahnhof, wo sie, in dicke Decken gehüllt und mit ausreichend Proviant ausgestattet, in ihre Züge stiegen. Zuweilen fuhr Trotman die Patienten in seinem Auto auch bis zu ihrem Zielort. Mehrere Male begleitete Almina ihn und erhielt später einen Dankesbrief von einer Mutter, die in der Dame, die ihren Jungen zu Hause abgeliefert hatte, nicht die Countess erkannte, in deren Krankenhaus er gesund geworden war.
    Ende Januar 1915 beschloss das britische Oberkommando, Offiziere des britischen Expeditionskorps nach ihrer Genesung nicht zurück an die Front zu schicken, wo sie mit größter Wahrscheinlichkeit der Tod erwartete, sondern sie im Inland zur Ausbildung der hunderttausend Freiwilligen von Kitchener’s New Army einzusetzen. Ein großer Teil dieser Männer würde natürlich früher oder später selbst in den Tod ziehen. In jenem Jahre dehnte sich der Krieg auf Italien, die Balkanländer und den Nahen Osten aus, und die Fronten verschärften sich überall.
    Unterdessen machte sich, obwohl Almina sich sicher war, ihre Berufung gefunden zu haben, in Highclere Erschöpfung breit. Seit der Gründung des Krankenhauses hatte kein Mitglied der Belegschaft Urlaub gehabt. Die Schwestern waren ebenso wie die Bediensteten des Schlosses am Ende ihrer Kräfte. Das Ausmaß der Katastrophe, zu deren Bewältigung sie beitrugen, war nun für jedermann offensichtlich. Auch Almina hatte seit ihrem Entschluss im Juli 1914, das Hospital zu eröffnen, ohne Unterbrechung gearbeitet und fühlte sich seelisch und körperlich ausgelaugt. Sie entschied, dass für alle eine Pause angebracht war. Das Krankenhaus wurde sechs Wochen lang geschlossen, um die erneute Aufnahme von Patienten im März vorzubereiten, und Almina und Lord Carnarvon brachen zu einer Erholungsreise nach Ägypten auf.



KAPITEL 12
Kriegshelden
    Nachdem sie ein halbes Jahr lang Soldaten entsetzliche Geschichten von der Westfront hatten erzählen hören und sich um verzweifelte Patienten gekümmert hatten, muss den Carnarvons die vertraute Winterreise nach Ägypten als Rückkehr in eine verlorene Welt erschienen sein. Noch war es möglich, nach Nordafrika zu reisen, wenngleich es nicht einfach war.
    Lord und Lady Carnarvon folgten Aubrey, Mary und Elsie nach, die unabhängig voneinander kurz vor Weihnachten aufgebrochen waren. Aubrey hatte sich von seiner Verletzung erholt und war für den aktiven Heeresdienst wieder zugelassen worden. Innerhalb von vier Monaten hatte er sich vom belächelten Sonderling, der als blinder Passagier in den Krieg gezogen war, weil ihn die Armee für untauglich erklärt hatte, zum unbedingt benötigten Soldaten entwickelt, der mit offiziellem Stempel zum Einsatz verpflichtet worden war. Die Haltung der Verantwortlichen hatte sich geändert, seitdem sich der Krieg als blutiger Albtraum erwiesen hatte. Inzwischen war fast jeder als Soldat im Dienste seiner Majestät willkommen.
    Aubrey war aufgrund seiner fundierten Kenntnis der Belange des Nahen Ostens und seiner Beherrschung mehrerer Sprachen der Region nach Ägypten entsandt worden. Er war mit ein paar wahllos zusammengewürfelten Kleidungsstücken und seiner Schreibmaschine angereist und stellte fest, dass General Sir John Maxwell, der Kommandant der in Ägypten stationierten Truppen, nach wie vor der festen Überzeugung