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Lady Chatterley (German Edition)

Lady Chatterley (German Edition)

Titel: Lady Chatterley (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D. H. Lawrence
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Gefühl unermeßlicher Niedergeschlagenheit und Hoffnungslosigkeit überkam sie. Was für eine Hoffnung gab es für sie? Sie war alt, alt mit siebenundzwanzig, ohne Glanz, ohne Leuchten im Fleisch. Alt durch Vernachlässigung und Verschmähung, ja, Verschmähung. In Kurs stehende Frauen hielten ihren Körper durch äußere Sorgfalt schimmernd wie feines Porzellan. Innen im Porzellan war nichts; aber sie schimmerte noch nicht einmal. Das geistige Leben! Eine jähe Welle wütenden Hasses überspülte sie – dieser Schwindel!
    Sie sah in den anderen Spiegel, auf ihren Rücken, ihre Taille, ihre Hüften. Sie wurde schlanker, aber es stand ihr nicht. Wenn sie sich nach hinten drehte, um besser sehen zu können, war die Falte unten am Rücken ein wenig schlaff; und sie hatte immer so frisch ausgesehen! Und das längliche Gefälle ihrer Hüften und Schenkel hatte seinen Glanz verloren und seine reiche Fülle. Vorbei! Nur der junge Deutsche hatte ihr Fleisch geliebt, und der war jetzt fast zehn Jahre tot. Wie die Zeit verging! Zehn Jahre tot, und sie war erst siebenundzwanzig. Dieser frische Junge mit seiner gesunden, unbeholfenen Sinnlichkeit, die sie so verachtet hatte! Wo sollte sie sie heute finden? Die Männer hatten sie nicht mehr. Sie hatten ihre rührende, zwei Sekunden währende Aufwallung wie Michaelis; aber keine gesunde, menschliche Sinnlichkeit, die das Blut wärmt und das ganze Sein belebt.
    Das Schönste an ihr, dachte sie, war noch immer die langabfallende Linie der Hüften, von der Senke des Rückens an, und die schlummernde, runde Stille ihres Gesäßes. Gleich Hügeln aus Sand, wie die Araber sagen, sanft und abwärtsgleitend in langem Gefälle. Hier weilte noch hoffendes Leben. Doch auch hier wurde sie magerer, unreif, schrumpfte zusammen. Die Vorderseite ihres Körpers ließ sie verzweifeln. Sie fing schon an, einzufallen, eine schlaffe Magerkeit zu bekommen, beinah zu welken – ihr Leib wurde alt, bevor er noch wirklich gelebt hatte. Sie dachte an das Kind, das sie vielleicht noch einmal in sich tragen würde. War sie dazu überhaupt noch imstande?
    Sie zog sich das Nachthemd an und legte sich ins Bett und weinte bitterlich. Und in ihrer Bitterkeit brannte ein kalter Zorn gegen Clifford, gegen seine Schreiberei und sein Gerede – gegen all die Männer seiner Art, die eine Frau auch noch um ihren eigenen Körper betrogen.
    Wie ungerecht! Wie ungerecht! Das Gefühl tiefer physischer Ungerechtigkeit brannte sich ihr tief in die Seele.
    Aber am Morgen war sie gleichwohl um sieben auf und ging zu Clifford hinunter. Sie mußte ihm bei all seinen persönlichen Dingen helfen, denn er hatte keinen Diener und lehnte es auch ab, eine weibliche Bedienung anzustellen. Der Mann der Haushälterin, der ihn schon als Jungen gekannt hatte, war ihm behilflich und besorgte das schwere Heben; Connie tat alles Persönliche, und sie tat es willig. Es stellte harte Anforderungen an sie, aber sie hatte tun wollen, was sie nur konnte.
    So ging sie kaum jemals von Wragby fort oder doch nur für einen oder zwei Tage; Mrs.   Betts, die Haushälterin, sorgte dann für Clifford. Im Laufe der Zeit ergab es sich unweigerlich, daß er alle Dienste, die man ihm erwies, als selbstverständlich hinnahm. Es war ganz natürlich, daß er das tat.
    Und doch – tief in ihrem Innern brannte das Gefühl, daß ihr eine Ungerechtigkeit zugefügt würde, daß sie betrogen würde. Das Gefühl, eine physische Ungerechtigkeit zu erleiden, ist ein gefährliches Gefühl, wenn es einmal angefacht ist. Es braucht ein Ventil, sonst verzehrt es den Menschen, in dem es lodert. Der arme Clifford war nicht verantwortlich zu machen. Er trug das größere Unglück. Es war nur Teil der allgemeinen Katastrophe.
    Und traf ihn in gewisser Weise nicht doch eine Schuld? Der Mangel an Wärme, der Mangel an einfachem, warmem, physischem Kontakt – war ihm der nicht vorzuwerfen? Er war niemals wirklich warm, nicht einmal herzlich – nur rücksichtsvoll, aufmerksam auf eine wohlerzogene, kalte Art. Aber niemals warm, so, wie ein Mann zu einer Frau warm sein kann, wie sogar der Vater zu ihr warm sein konnte – mit der Wärme eines Mannes, der es sich gut sein ließ und das auch wollte, aber der noch immer eine Frau zu trösten vermochte mit einem Funken seiner maskulinen Glut.
    Aber Clifford war nicht so. Alle seinesgleichen waren nicht so. Sie waren hart und kapselten sich ab, und Wärme war für sie lediglich eine Geschmacklosigkeit. Man hatte ohne sie auszukommen

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