Lady Daphnes Verehrer
Anzeichen von Kränkung. Er sah eher neugierig aus. Und das konnte weitaus gefährlicher für sie werden, das wusste sie.
Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und den Kopf in die Hände, um sie nachdenklich anzusehen. »Was sind Sie nur für eine interessante Frau. Ich glaube nicht, dass Sie mich aus Schüchternheit abweisen. Oder aus Mangel an Verlangen. Nein, bitte, protestieren Sie nicht gegen diesen Punkt. Ich gehe nach Frankreich ins Kloster, wenn ich nicht mehr erkenne, ob eine Frau Verlangen empfindet! Und was Ihre Erregbarkeit angeht – nun, diese Frage haben wir schon auf dem Boot geklärt. Welche Einwände haben Sie also dagegen, wo es doch sehr offensichtlich ist, dass wir einander begehren? Wenn man bedenkt, wie ich gelitten habe, habe ich ein Recht, es zu erfahren.«
Als sie beschlossen hatte, es mit Ehrlichkeit zu versuchen, hatte sie nicht damit gerechnet, dass es so schwierig werden würde. Was würde er denken, wenn sie ihm die ganze Wahrheit sagte? Wenn sie seine Neugier bis ins Letzte befriedigte?
Sie hatte sich noch nie jemandem offenbart. Wäre Latham nicht nach London zurückgekehrt, so hätte sie es nun vielleicht in Erwägung gezogen. Nur vertraute sie nicht darauf, dass Castleford – oder überhaupt irgendjemand – die Wahrheit für sich behalten konnte, wenn er sie einmal kannte.
Sie ging seine kleine Ansprache in Gedanken durch, um etwas zu finden, wo sie einhaken konnte. »Ich finde es keineswegs offensichtlich, dass wir einander …«
Er schnitt ihr mit einem theatralischen Seufzer das Wort ab. Dann sah er sie gespannt an. Er erwartete eine Antwort auf seine Frage nach ihren Einwänden.
Unversehens befand sie sich wieder an dem Punkt, dass sie Mühe hatte, ihm einen einleuchtenden Grund zu nennen, den er nicht vom Tisch wischen konnte und den sie ihm zu nennen bereit war. Da ihr keine Ausrede einfiel, besann sie sich auf Celias Rat.
»Sie besuchen bekanntermaßen Bordelle, Sir. Schon allein aus gesundheitlichen Gründen wäre es höchst unklug von mir, Ihren Schmeicheleien zu erliegen.«
Damit hatte sie ihn getroffen. Zumindest hoffte sie, dass dies die Erklärung für seine erstarrte Miene war. Allem Anschein nach war er nicht nur erschüttert, sondern regelrecht vor den Kopf geschlagen. Er stand auf und blickte sprachlos auf sie herab. Dann ging er.
Sie sah sich genötigt, ebenfalls aufzustehen. Als sie sich umdrehte, stand er am Zelteingang. Er wirkte sehr nachdenklich und leider auch ziemlich verärgert. Celia hatte sie gewarnt, dass er es nicht gut aufnehmen würde. Das war eine Untertreibung gewesen.
Als er sich ihr zuwandte, spielte ein kleines versonnenes Lächeln um seine Mundwinkel, doch seine Augen blitzten unheilvoll. »Mrs Joyes, habe ich recht gehört? Sie bezichtigen mich, krank zu sein?«
»Die Möglichkeit besteht. Mehr habe ich nicht gesagt. Man kann nicht vorsichtig genug sein.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Deshalb bin ich äußerst vorsichtig. Ich versichere Ihnen, von mir geht keine Gefahr für Sie aus.«
Sie schluckte. »Man kann nie wissen.«
Er sah sie scharf an. »Man weiß es sehr genau.«
»Es kann sein, dass Sie die Folgen Ihrer letzten Ausschweifungen noch gar nicht bemerkt haben.« Sie wusste nicht einmal, ob das überhaupt stimmte. Sie hoffte einfach, dass sie das, was Celia ihr gesagt hatte, richtig deutete.
Er seufzte vernehmlich, jedoch nicht verzweifelt, wie er es normalerweise tat. Es klang vielmehr nach einem Mann, der sich bemühte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Mrs Joyes«, sagte er bemüht ruhig. »Es gibt gewisse Etablissements, von denen man weiß, dass sie sehr auf die Gesundheit der Frauen achten, die dort arbeiten. Deshalb schreibe ich ja mein Buch: damit Männer, die in die Stadt kommen, diese Häuser finden und sich nicht in andere locken lassen. Ich beschränke mich auf diese Etablissements, wie es alle vernünftigen Männer tun.« Er seufzte abermals. In seiner Wange zuckte ein Muskel. »Außerdem gibt es Vorsichtsmaßnahmen, mit denen man sich vor solchen Krankheiten schützen kann, und die ergreife ich bekanntermaßen.« Noch ein Seufzer, dann verfinsterte sich seine Miene. »Verdammt, es ist ganz und gar unglaublich, dass ich Ihnen diese Dinge erkläre, als hätten Sie ein Recht darauf, sie zu erfahren.«
»Vorsichtsmaßnahmen hin oder her, unter den gegebenen Umständen wage ich es nicht, ein Verhältnis mit Ihnen in Betracht zu ziehen.«
Er nahm sie grimmig ins Visier, und als er auf sie zukam, wich sie
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