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Lady Ghoul

Lady Ghoul

Titel: Lady Ghoul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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zweite Mann in den Schacht gesprungen war, und auf ihrem Gesicht lag ein kaltes Lächeln, das den Triumph nicht verbergen konnte. Dennoch blieb in ihren Augen die Besorgnis. Der Blick wirkte trotz der roten Pupillen irgendwie düster und gefährlich, aber auch nachdenklich.
    Über den Brunneneinstieg hinweg sprach sie ihre Schwestern an.
    »Dieser blonde Mann, der als letzter gesprungen ist, kann nicht mit anderen verglichen werden. Er ist gefährlich, er ist anders als die üblichen Männer. Nicht besser oder schlechter, eben anders. Hat das keiner von euch gespürt?«
    Die Schwestern und Verbündeten schauten Agatha an, ohne etwas zu sagen. Sie taten nur ihre Pflicht, sie vernichteten, wenn jemand uneingeladen die Insel betrat.
    »Keiner?« Agatha lächelte. »Eine zumindest muß es doch gespürt haben. Nicht wahr, Karen?«
    Die Jüngste hatte sich bisher im Hintergrund gehalten. Sie wollte nicht unbedingt in vorderster Linie stehen. Da sie direkt angesprochen worden war, konnte sie nicht anders und mußte vorkommen, das verlangte Agatha.
    Karens Schritte waren schwer. In den Augen der anderen hatte sie Schuld auf sich geladen, und sie sah die Blicke der tiefroten Pupillen auf sich gerichtet.
    Für Karen war es wie ein optisches Spießrutenlaufen. Agatha hatte von einer Bestrafung gesprochen, und Karen rechnete damit, daß sie keine Gnade erwarten durfte.
    »Ja, komm her…«
    Das junge Mädchen blieb ungefähr dort stehen, wo der blonde Mann auf den Brunnenrand geklettert war.
    Über den Schacht hinweg schauten Agatha und Karen sich an. Die Ältere nickte und lächelte falsch. »Nun, Karen, du bist ungehorsam gewesen. Weißt du das?«
    »Ja.«
    »Dann ist dir auch klar, daß wir Ungehorsam nicht dulden können. Wir müssen etwas dagegen unternehmen.«
    »Ich… ich…«
    »Du hättest nicht geschossen — oder?«
    »Nein!« flüsterte Karen. »Ich hätte es einfach nicht übers Herz gebracht. Tut mir leid.«
    »Er ist unser Feind…«
    »Ja, aber ich konnte es nicht.«
    »Dann gehörst du auch nicht zu uns!« erklärte Agatha scharf. »Dann bist du nicht würdig, zu den Dienern der mächtigen Celeste gezählt zu werden. Hast du begriffen?«
    »Ja.«
    »Da du einsichtig bist und unsere Methoden kennst, wirst du auch wissen, was dich erwartet.« Karen nickte.
    »Ich könnte jetzt abstimmen, wie es in unseren Statuten zu lesen ist, aber darauf möchte ich verzichten. Es ist eine Ausnahmesituation eingetreten, und ich habe mich zu einem endgültigen Urteil entschlossen. Ich werde dich ausschließen, in die Verbannung schicken. Du bist zwar noch hier, aber du gehörst nicht mehr zu uns. Wenn alles vorbei ist, werden wir dich töten, Karen. Bist du damit einverstanden?«
    Das junge Mädchen hob den Kopf und schaute an Agatha vorbei. Sie war mächtig, diese Frau, aber sie konnte keine Gedanken lesen, sonst wäre es jetzt schon schlimm für Karen geworden. Sie dachte an den blonden Mann, den sie hatte töten sollen. Sie hatte auch gespürt, daß er tatsächlich anders war als die übrigen. Er hatte keine Angst vor diesen Frauen gezeigt. Das hatte ihr imponiert. Er war ihre Chance, sie war auch seine Chance. »Du bereust?« fragte Agatha.
    Karen nickte. »Ja, ich bereue zutiefst.«
    »So soll es auch sein. Aber das Schicksal steht fest. Jeder von uns muß Opfer bringen. Das haben wir gewußt. Auch du, Karen. Deines wird am größten sein. Geh jetzt und tritt uns nicht mehr vor die Augen. Ich gebe dir fünf Minuten Zeit. Dann bist du vogelfrei. Du weißt, was das bedeutet?«
    »Ich kann es mir denken.«
    »Dann will ich es dir noch einmal erklären. Wenn eine von uns dich nach dieser Zeitspanne entdeckt, kann sie dich ohne Warnung erschießen. Egal, wo dich die Kugel trifft. In den Rücken, in die Brust oder in den Kopf. Du bist für uns mehr tot als lebendig. Ist dir das alles klar?«
    »Ja.«
    »Dann ab mit dir!«
    Karen drehte sich um. In der Bewegung konnte sie auch in die Gesichter der anderen Frauen schauen.
    Sie erkannte darin alles, nur eben kein Mitleid. Ihr war klar, daß ihr niemand helfen würde. Die roten Augen schienen zu Dolchen zu werden, und harte Fäuste umklammerten die Kolben der Gewehre. Karen lief zuerst noch zögernd, fast taumelnd, mit ausgebreiteten Armen. In der Dunkelheit hatte sie eine Chance, da konnte sie sich noch auf der Insel verbergen.
    Wehe, es wurde hell. Da würde sie gehetzt werden wie ein Wild, so hatten sie es damals ausgemacht. Und Karen hatte ebenfalls zugestimmt, ohne gewußt zu

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