Lady Helenes skandaloeser Plan
sie noch mehr Lippenrot auflegen sollte.
Als ob sie Gedanken lesen könnte, reichte Gina ihr den Tiegel, den sie gerade selbst benutzt hatte. »Warum musst
du
dich verschönern?«, fragte Helene. »Du bist eine verheiratete Frau.«
»Dasselbe könnte ich von dir sagen«, gab Gina grinsend zurück. »Ich würde nicht einmal im Traum daran denken, Cam untreu zu sein. Aber das bedeutet noch lange nicht, dass ich in Anwesenheit eines Mannes wie Mayne wie ein Leichnam aussehen muss.«
»Gott sei Dank«, erwiderte besagter Mayne, der in diesem Augenblick das Zimmer betrat. »Ich habe eine ausgesprochene Abneigung gegen Leichen in einem Salon voller Damen.« Er verneigte sich elegant. »Dies ist wahrlich ein Vergnügen: drei der hinreißendsten Frauen Londons in einem Zimmer!«
Helene fiel beinahe zwangsläufig ein, dass der Earl sie vor einem Monat noch keineswegs hinreißend gefunden hatte. Es fiel jedoch schwer, von seinem Kompliment nicht geschmeichelt zu sein. Als er sie mit seinen ausdrucksvollen Augen anschaute, die von den schwarzen Brauen noch betont wurden, spürte Helene, wie ihr ein Schauer den Rücken hinunterlief.
»Wenn Sie erlauben, meine Damen, werde ich den Prinzen Paris spielen. Sie müssen wohl Hera, Athene und Aphrodite sein.« Er verteilte die Sonne seines Lächelns gleichmäßig unter den dreien, und selbst Gina, die fand, sie sei allmählich schon zu lange von ihrem Liebling Max getrennt, überlief ein angenehmes Kribbeln. Doch dann wandte sich Mayne Helene zu und ließ sein verführerisches Lächeln allein für sie erstrahlen. »Als Paris schenke ich den goldenen Apfel Aphrodite. Denn sie hat ihren Glanz so lange vor der Welt verborgen, dass er nun mit besonderem Leuchten hervorbricht.«
Helene zog eine Augenbraue hoch, doch Esme erstickte ihre Erwiderung im Keim. »Eine abgehalfterte Schmeichelei«, rügte sie. »Sie können es doch bestimmt besser! Abgesehen davon wurde
ich
einst bei meinem Debüt als Aphrodite bezeichnet und würde es Ihnen sehr übel nehmen, wenn Sie mich nun zu einer Hera degradieren würden.«
»Jede Aphrodite hat ihre Zeit«, sagte er augenzwinkernd zu Esme. »Wenn ich Lady Godwin unter vier Augen sprechen dürfte, werde ich mich sehr viel eloquenter ausdrücken, das darf ich Ihnen versichern.«
»Dann müssen wir Ihnen für Ihre Eloquenz wohl freie Hand geben, Mayne«, sagte Esme und erhob sich.
Er verbeugte sich und küsste ihre Fingerspitzen. »Es ist eine Freude, Sie so strahlend schön zu sehen, Lady Bonnington.«
Esme lachte.
»Auf Wiedersehen, Helene«, sagte Gina und zog Esme zur Tür. »Keine Sorge, Mayne. Mir können Sie beim nächsten Mal die Hand küssen.« Und sie warf ihm noch ein verschwörerisches Lächeln zu, bevor sie die Tür schloss.
Mayne drehte sich um und schaute Lady Godwin an, die sitzen geblieben war. Sie war leicht rosa angelaufen und schien sich mit größtem Interesse ihren Röcken zu widmen. Er setzte sich neben sie auf das Sofa und streckte behaglich die Beine aus. »Es freut mich zu sehen, dass Sie die gestrige Katastrophe unbeschadet überstanden haben«, eröffnete er die Unterhaltung.
Helene errötete so stark, dass sie spürte, wie ihre Ohren warm wurden. Wenn sie doch nur etwas gegen dieses ständige Erröten tun könnte! »Mein Mann und ich sind … wir sind Freunde, Lord Mayne. Tatsächlich besteht zwischen uns sehr viel Einigkeit.«
»Das klingt ja recht erfrischend«, bemerkte Mayne. Er nahm ihre Hand und strich mit seinem Daumen zärtlich über jeden Finger. Sein Lächeln war wirklich unwiderstehlich. Helene lächelte ihn schüchtern an. Sie war die berauschenden Gefühle eines Flirts nicht gewöhnt.
»Wollen Sie nicht Garret zu mir sagen?«, fragte er leise. »Gestern Abend taten Sie es.«
Helene wusste, dass sie mit ihrem roten Gesicht nicht sonderlich anziehend aussah. »Es tut mir leid, dass ich den Ball so überstürzt verlassen habe.«
Er drehte ihre Hand um und streifte mit seinen Lippen jede Fingerkuppe. »Der Ball war uninteressant, nachdem Sie gegangen waren.« Er legte seine Hand an ihre. »Wie schlank Ihre Finger im Vergleich zu den meinen sind! Musikerhände.«
»Ja«, sagte Helene ein wenig unsicher. Ihr Herz klopfte wild.
Plötzlich verstärkte er den Griff seiner Hand. »Darf ich Sie küssen?«
Helene schwieg. Er nahm das für ein Ja. Kurz sah sie seine dunklen Augen aus nächster Nähe, dann streiften seine Lippen ihren Mund. Er küsste sie. Und küsste sie wieder. Und noch einmal. Seine Küsse
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