Lady in Rot (German Edition)
dass sich ihr Magen verkrampfte, als sie seinem Blick begegnete.
„Gibt es etwas, was Ihnen zu schaffen macht?“
Du machst mir zu schaffen, und zwar nicht zu knapp. „Ich möchte Ihnen gerne etwas Make-up auflegen, nur ganz minimal.“
„Nein.“
„Ich rede von einer dünnen Schicht Puder, das ist alles.“
„Nein.“
Es war erst kurz nach neun, und schon gab es die ersten Schwierigkeiten. Sie versuchte, ihn zu beschwichtigen. „Das ist üblich so.“
„Nicht für mich.“
Nun gut, also kein Make-up. Damit konnte sie leben.
„Wollen Sie sich setzen?“ Das war weniger eine Anregung als eine Anweisung, und das trug ihr einen nachdenklichen Blick ein.
„Und wenn ich nun lieber stehen bliebe?“
Er spielte mit ihr. „Mr. del Guardo …“
„Ich dachte, wir hätten uns auf Vornamen geeinigt?“
Das versprach ein äußerst strapaziöses Wochenende zu werden. „Manolo“, gab sie nach. Er neigte zustimmend den Kopf. „ Gracias .“
„Dann wollen wir Sie mal verkabeln.“ Tony kam mit zwei schnurlosen Mikrofonen. Eins gab er Ariane, das andere befestigte er am Ausschnitt von Manolo del Guardos Hemd.
Es war ein Teil ihrer Arbeit, Leute mit einem ausgeprägten Ego um sich zu haben. „Ich möchte dieses Interview so entspannt und ungezwungen wie möglich halten. Alles wird im Nachhinein noch redigiert, und Sie bekommen das Endergebnis vorab zu sehen, um den Inhalt überprüfen und genehmigen zu können.“
„Und ich möchte Sie noch einmal daran erinnern, dass jeder Versuch, mich aufs Glatteis zu führen, von meiner Seite mit Schweigen quittiert wird.“
Oje. Ariane richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und atmete tief durch. „Alles klar.“ Sie schaffte es sogar, ein schwaches Lächeln zustande zu bringen. „Wollen wir dann anfangen?“
Eine Stunde später hatte sie noch immer nichts Neues über Manolo del Guardo. Das bedeutete, sie musste noch etwas härter arbeiten.
„Erzählen Sie mir, wie es war, in einem Armenviertel aufzuwachsen.“
Sein Lächeln reichte nicht mal bis zu seinen Augen. „Sie wollen, dass ich es Ihnen ausmale?“ Straßenbanden, Armut, das Überleben manchmal nur dadurch gesichert, dass man dem Gesetz immer einen Schritt voraus war, in den kleinen Gassen, in denen eine falsche Bewegung dazu führen konnte, dass einem ein Messer in die Rippen gestoßen wurde …
„Ich kann mir denken, dass es sehr hart war.“
Er bezweifelte, dass ihre Vorstellungskraft für die harsche Realität ausreichte. Doch es war ihm gelungen, dort herauszukommen. Magere Jahre folgten, in denen er bis zum Umfallen gearbeitet hatte.
„Die wesentliche Motivation war der Überlebenswille.“
„Könnten Sie das noch etwas genauer ausführen?“
„Ich sehe keine Notwendigkeit, nähere Einblicke in meine Jugend zu geben.“
Scheinbar hatte er beschlossen, es ihr schwer zu machen. „Aus Selbstschutz oder weil es nötig ist, Ihre Vergangenheit zu verbergen?“
Manolo bewegte sich nicht, doch sie hatte das Gefühl, dass sein kraftvoller Körper plötzlich in Alarmbereitschaft war. Das Schweigen legte sich fühlbar über den Raum, und Ariane wartete mit angehaltenem Atem auf einen Wutausbruch.
Doch dazu kam es nicht. Er hatte sich völlig unter Kontrolle.
Sie hatte sich so sehr auf den Mann konzentriert, dass sie zuerst das entfernte Geräusch eines weinenden Babys überhörte.
„Sie müssen mich entschuldigen.“ Manolo erhob sich und eilte zur Tür.
Erst dann nahm sie das verzweifelte, klagende Babygeschrei wahr.
Ariane gab Tony durch ein Zeichen zu verstehen, dass er abbrechen sollte, dann folgte sie Manolo del Guardo die Treppe hinauf in eines der oberen Zimmer.
Der Anblick, wie er den Säugling in seiner Armbeuge wiegte, verschlug ihr den Atem.
In diesem Moment drehte er sich um. „Ihre Einmischung ist nicht erwünscht.“ Seine Stimme klang bedrohlich leise, und das Baby begann, lauter zu schreien.
Ariane hatte den unwiderstehlichen Drang, das Kind zu nehmen und zu trösten. „Weder Kamera noch Ton sind eingeschaltet.“
„Dann sorgen Sie dafür, dass das auch so bleibt.“
Das Jammern des Säuglings schwoll an, dann ließ es wieder nach und wurde zu einer Folge von ärgerlichen, schluckaufartigen kleinen Schreien.
Ariane konnte es nicht lassen. „Sie hat eine Kolik.“
„Und woher wissen Sie das?“
Sie hätte ihn am liebsten geschlagen. Stattdessen hielt sie den Atem an und zählte bis drei, bevor sie wieder ausatmete. Sie schaffte es sogar, wegwerfend mit
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