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Lady Lavinias Liebestraum

Lady Lavinias Liebestraum

Titel: Lady Lavinias Liebestraum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Nichols
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hatte die Gesellschaft um den Duke und die Duchess of Loscoe sich dazu entschlossen, den Heimweg anzutreten. Das jüngste Ereignis bedrückte alle zu sehr, als dass ihnen noch länger der Sinn nach leichter Orchestermusik und heiterer Konversation gestanden hätte.
    Lavinia war wütend auf James. Seine Antipathie gegen Lord Wincote ging entschieden zu weit. Natürlich musste sie aus seiner Heimlichtuerei schließen, er habe ihn im Visier. Wie war er nur auf den Gedanken gekommen, dass der Gentleman etwas mit dem Diebstahl zu schaffen haben könnte? James sollte sich schämen. Wenn Seiner Lordschaft die Anschuldigung zu Ohren käme, würde er, ohne zu zögern, Genugtuung verlangen und James zu einem Duell herausfordern.
    Der nächsten Zusammenkunft ihrer Theatergruppe sah sie mit zunehmender Sorge entgegen. Sie fragte sich ernsthaft, ob sie das Projekt nicht lieber abbrechen sollte. Auf der einen Seite ließen Lord Wincote und James ihre persönliche Animosität gegen den anderen zu offensichtlich in ihre Rolle mit einfließen, sodass auch sie sich immer weniger auf ihren Text konzentrieren konnte, auf der anderen Seite traute sie sich nicht, ihre Mitstreiter, die sich bis zum heutigen Tag solch große Mühe gaben, zu enttäuschen.
    Als James dann nicht zur Probe erschien, mischte sich in ihre Sorge um das Gelingen ihrer Aufführung Wut. Offensichtlich hatte er eine wichtigere Verabredung, ein Tête-à-tête mit irgendeinem Frauenzimmer. Schließlich hatte er der Stiefmutter versprochen, er würde sich in dieser Saison nach einer Gemahlin umsehen. Da er in diesen Dingen sehr verschlossen war, konnte es gut sein, dass sie gewisse Zeichen seinerseits schlicht übersehen hatte. Die Kehle schnürte sich ihr zu bei dem Gedanken, er würde die innige Freundschaft, die sie beide verband und die nur weniger Worte bedurfte, in Zukunft mit einer anderen Frau teilen.
    Wenigstens zeigte Lord Wincote sich jetzt verständiger und zurückhaltender. Allerdings musste sie während der gemeinsamen Szenen beobachten, dass er, obgleich sie sich keinen freundlicheren und charmanteren Spielpartner hätte wünschen können, ihr mit einer gewissen Kühle begegnete. Dies konnte sie sich nur so erklären, dass er sich stärker als früher auf seine Rolle konzentrierte, was vielleicht auch James’ Abwesenheit zu verdanken war.
    Als das Stück einmal durchgespielt war, hatten ihre Gäste es anderer Verpflichtungen oder Zerstreuungen wegen eilig, nach Hause zu kommen. Auch Lavinia hatte noch genügend zu tun, denn sie musste das zweite Bühnenbild in Angriff nehmen. Dies hatte den Vorteil, dass sie während des Malens immer wieder ihren Text aufsagen und verinnerlichen konnte. Nach kurzer Zeit war sie so sehr damit beschäftigt, den Rhythmus ihrer Verse in Einklang zu bringen mit ihrer Pinselführung, dass sie nicht einmal James in den Ballsaal kommen hörte.
    Erst als er seinen Hut achtlos in einen Sessel warf, der in ihrem Blickfeld stand, wandte sie sich erschrocken um. “James, du bist es! Wo warst du nur?”
    “Es tut mir leid, ich hatte geschäftlich zu tun”, erklärte er und betrachtete Lavinia von Kopf bis Fuß. Trotz der großen Schürze, die ihre Figur fast gänzlich verbarg, fand er sie anziehender denn je. Ihre Ausstrahlung hatte noch so viel Kindliches – er konnte nur hoffen, dass sie so blieb, wie sie war.
    “Um was für ein Geschäft handelte es sich? Und warum lächelst du?”
    Er kam noch näher an sie heran und strich mit dem Handrücken sanft über ihre Wange. “Ich lächle, weil du so …” Er brach ab. Wie sollte er beschreiben, was seine Freude hervorgerufen hatte? Er konnte ihr doch kaum sagen, dass die Kindfrau, die vor ihm stand, mit ihren vor Eifer geröteten Wangen und den leuchtenden Augen, ihn so sehr entzückte, dass er nicht umhinkonnte, zu strahlen. “Weil du so arbeitsam aussiehst und Farbkleckse auf der Nase hast.”
    Sie rieb sich über die Stelle und verteilte auf diese Weise die Farbe nur noch mehr im Gesicht. James zog ein Schnupftuch hervor und entfernte überaus vorsichtig und zart die Sprenkel.
    Lavinia genoss liebevolle Gesten wie diese sehr. James ließ ihr seine Zärtlichkeit mit der größten Selbstverständlichkeit angedeihen, als sei er sich dessen überhaupt nicht bewusst – und das hatte sie schon immer an ihm geschätzt, wenngleich sie sich nunmehr zu wünschen begann, er liebkose sie, weil er nur ihr allein seine Zuneigung zum Ausdruck bringen wolle. Vor Wochen hätte sie sich noch

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