Lady Lavinias Liebestraum
trösten.
Lavinia schaute ihn prüfend und zugleich fragend an. “Du warst außer dir, als er mich zu hypnotisieren begann.”
“Sagte ich das?”, fragte er mit zärtlichem Unterton.
“Als ich wieder ganz ich selbst war und du mich zu Stiefmama zurückbrachtest, stand dir jedenfalls die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.”
“Ich muss gestehen, dass mir nicht ganz wohl bei der Vorstellung war, du würdest jeden Augenblick wie ein Vögelein zu zwitschern beginnen.” Er ging einen Moment in sich und musste lachen. “Denn wie du an den beiden anderen Herrschaften sehen konntest, die Wincote zum Bellen und Miauen gebracht hat, sind seine Fähigkeiten nicht zu unterschätzen … Doch nun genug davon. Wirst du dir übermorgen das Feuerwerk in den Vauxhall Gardens anschauen?”
“Ich denke, ja”, antwortete sie bereitwillig, ohne ihn nochmals auf seine Befindlichkeit anzusprechen. Sie hatte sehr wohl verstanden, dass er nicht länger von ihr ausgefragt werden wollte, und das hatte sie zu respektieren. “Übrigens werden all unsere Freunde dort sein.”
James senkte den Blick. “Dann hast du wohl auch schon jemanden, der dich hinbegleitet.”
“Es bietet sich an, mit Mama und Papa nach Vauxhall Gardens zu fahren. Jack darf nämlich ausnahmsweise mitkommen, da er noch nie ein Feuerwerk zu Gesicht bekam. Und ich versprach, auf ihn Obacht zu geben.”
“Dann freue ich mich darauf, dich dort zu sehen”, erwiderte er, während er ihre Hand nahm und ihre Fingerspitzen küsste. “Bis bald”, sagte er noch, bevor er ihrem Blickfeld entschwand.
Ein lauer Sommerwind erfrischte die Gäste, die sich eigens für das Feuerwerk in den Vauxhall Gardens eingefunden hatten, und trug feierliche Musik aus der Ferne zu ihnen in die Anlagen, wo Lavinia neben Frances, ihrem Vater, Jack und vielen anderen Gästen geruhsam flanierte.
“Ihr Diener, Mylady”, sagte plötzlich eine männliche Stimme direkt hinter ihr.
Sie wandte sich wenig überrascht um. “Lord Wincote, wie geht es Ihnen?”
Während ihr Verehrer sich daranmachte, sie mit hübschen Komplimenten zu überhäufen, gesellte Sir Percy sich in Begleitung Lady Rattenshaws zu ihnen, und kaum dass sie einander begrüßt hatten, wurden Hunderte von Lampen entlang den Hauptwegen entzündet. Erstrahlten diese nun in hellem Licht, umgab die Nebenpfade, die von Bäumen und Sträuchern gesäumt waren, eine Dunkelheit, dass man die funkelnden Sterne am Himmel erkennen konnte.
Lavinia war dies nicht entgangen, und sie legte staunend den Kopf in den Nacken. “Welch wundervoller Sommerabend”, seufzte sie.
“Eine Nacht, wie geschaffen für Liebende”, bemerkte Lady Rattenshaw. “Wir könnten uns ebenso gut in dem Shakespeare’schen Feenwald befinden. Die Stimmung hier ist so ungemein romantisch, finden Sie nicht auch, Lord Wincote?”
“In der Tat”, antwortete Seine Lordschaft und sah Lavinia dabei verheißungsvoll in die Augen.
Unerschrocken fuhr Sir Percys Begleiterin fort: “Und wie steht es mit Ihnen, Lord Corringham? Ist Ihnen nicht auch ein wenig schwelgerisch zumute?”
“Du liebe Güte, James hat eine ganz andere Vorstellung von Romantik”, platzte Lavinia heraus. “Er muss auf einem prächtigen Pferd sitzen und über hohe Zäune springen können.” Daraufhin brachen alle in lautes Gelächter aus. Zum Glück war es bereits dunkel, und niemand konnte sehen, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. “Oh, ich wollte mich nicht über dich lustig machen, James …”
“Sei unbesorgt, meine Liebe. Wir haben dich schon richtig verstanden”, murmelte er.
Die Gesellschaft bog in einen der beleuchteten Wege ein, bis sie auf den zentralen Platz stieß, wo letzte Vorbereitungen für das große Feuerwerk getroffen wurden. Von allen Seiten strömten nun die Schaulustigen herbei und drängten so weit wie möglich nach vorn, um die besten Plätze zu erheischen. Ohne darüber nachzudenken, legte James Lavinia, die vor ihm stand, schützend die Hände auf die Schultern. Er dachte, Lord Wincote würde sogleich protestieren, doch als er sich nach ihm umschaute, musste er feststellen, dass der Gentleman nirgends zu sehen war. In diesem Augenblick wurde die erste Rakete gezündet, und alle blickten fasziniert in den Himmel, wo sie in Tausende von kleinen bunten Sternen zerstob und verglühte.
Viel zu früh und begleitet von lauten Seufzern aus der Menge endete das Spektakel. James bemerkte, dass seine Hände noch immer auf Lavinias Schultern ruhten. Obgleich
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