Lady meines Herzens
verdrehte. Aber eine Duchess verdreht niemals die Augen, das wusste doch jedes Kind!
»Nachdem er die Erlaubnis meines Vaters eingeholt hatte«, gelang es Lady Clarissa einzuwerfen, »wurde ich zu ihnen in die Bibliothek unseres Hauses in London gebeten. Dort hat er um meine Hand angehalten.«
»Ihre Eltern, also Lord und Lady Richmond, waren beim Antrag zugegen?«, hakte Sophie nach.
»Ja«, sagte Clarissa. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Sie wusste genau, wie unromantisch das war.
»Lord und Lady Richmond wollten gerne bleiben«, fügte Lord Brandon jetzt hinzu. Ein diplomatischer Einwurf, der zugleich auch seinen zukünftigen Schwiegereltern die Schuld daran gab, dass Clarissa der Zauber des Augenblicks genommen worden war. Gut gemacht, dachte Sophie.
Schrecklich unromantischer Antrag kritzelte sie derweil auf den Block. Aber warum sollte sie das überraschen? Die meisten Ehen in diesen Kreisenwurden nicht aus Liebe geschlossen. Die meisten waren sogar bloß Allianzen, die eingegangen wurden, um Reichtum zu mehren und zu bewahren.
»Ja«, sagte Lady Richmond, ehe sie gerührt fortfuhr: »Wir durften doch nicht einen der wichtigsten Augenblicke in der Geschichte der Richmonds verpassen! Seit mehr als einem Jahrhundert haben die Richmonds stets in die besten Familien Englands eingeheiratet. Das Aufrechterhalten dieser Tradition und der Fortbestand der Familie hängen allein von meinem einzigen Kind ab, und wir sind so glücklich, dass diese beiden höchst angesehenen Familien sich nun vereinen. Auf besonderen Befehl des Königs wird der Titel der Richmonds durch den Sohn der beiden weiter fortbestehen.«
Sophie setzte an, um alles mitzuschreiben, aber sie gab es rasch auf und kritzelte nur Fortbestand der Richmonds ist sooo wichtig, auf Anordnung des Königs. Das war ein ziemlich hoher Druck und viel Verantwortung, die auf einem Kind ruhte, das noch nicht gezeugt, geschweige denn geboren war.
Sophie blickte das Paar an. Beide waren sehr reserviert und verhielten sich durch und durch anständig. Sie bezweifelte, dass sie sich auf die Hochzeitsnacht freuten. Ach, so etwas sollte sie gar nicht denken!
»Erzählen Sie uns bitte mehr über den Antrag, Lady Clarissa«, drängte Sophie und ignorierte absichtlich Lady Richmond. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich ganz auf deren Tochter.
»Lord Brandon sagte, er hege große Bewunderung für mich, und dann fragte er, ob ich ihm die Ehre zuteilwerden lasse, seine Duchess zu werden. Und nachdem ich seinen Antrag angenommen hatte, schenkte er mir diesen wunderschönen Verlobungsring.«
Lord Brandon und sie lächelten einander vorsichtig zu; es war das erste Zeichen von Zuneigung, das die beiden während der Unterhaltung zeigten. Sophies Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen.
»Der Ring ist ein Familienerbstück der Hamiltons and Brandons«, sagte Lady Hamilton. Clarissa streckte Sophie ihre linke Hand entgegen, damit sie den goldenen Ring, der von einem großen, quadratisch geschliffenen Smaragd gekrönt wurde, in Augenschein nehmen konnte. Der Smaragd wurde von Dutzenden winzigen Diamanten umschlossen.
»Er ist atemberaubend«, gab Sophie ehrlich zu.
»Es war so bewegend, Zeugin des Heiratsantrags zu werden«, mischte sich Lady Richmond ein. Schon wieder. »Ich habe sogar geweint. Es ist der Traum jeder Mutter zu erleben, dass ihre Tochter sich mit einem Mann wie Seine Gnaden verlobt.«
Mit Mühe gelang es Sophie, ein schwaches Lächeln zu zeigen. Sie kritzelte aufdringlich und lästig aufs Papier. Es schien ihr unmöglich, diese Frau einen Monat lang zu ertragen und dabei nicht den Verstand zu verlieren.
»In der Tat«, murmelte Sophie. Sie starrte auf ihren Block. Inzwischen waren alle Fragen beantwortet, bis auf jene höchst unpassenden, die sie nicht stellen konnte.
Zum Beispiel: Warum haben Sie bei unserer ersten Begegnung mit keinem Wort erwähnt, dass Sie ein Duke sind? Und verlobt?
Warum waren Sie so verflucht freundlich zu mir?
Warum haben Sie zugelassen, dass ich mich beinahe in Sie verliebe, obwohl Sie wussten, dass es nirgendwohin führt?
»Ich glaube, ich habe jetzt genug Material für einen ersten Artikel«, sagte Sophie. »Ich danke Ihnen allen sehr, dass Sie mir Ihre Zeit geopfert habt.« Sie steckte Block und Stift zurück in ihr Retikül. Sie wollte hier auf keinen Fall etwas liegen lassen.
»Miss Harlow, ich werde Sie zur Tür bringen«, bot Brandon an.
»Vielen Dank, Euer Gnaden, aber das wird nicht nötig sein.« Diese
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