Lady meines Herzens
Bemerkung wurde allseits mit erhobenen Augenbrauen und großen Augen quittiert. Offenbar gehörte sich das nicht. Man durfte einem Duke in seinen eigenen vier Wänden nichts verwehren.
»Sind Sie sicher, dass Sie den Weg finden?«, fragte er skeptisch.
»Absolut«, verkündete sie selbstsicher.
Tatsächlich traf eher das Gegenteil zu. Aber sie ertrug die Vorstellung nicht, erneut mit ihm allein zu sein. Sie würde ihn wieder bezaubernd, gut aussehend und unerreichbar finden. Sophie verabschiedete sich hastig von den beiden Duchessen und der zukünftigen Duchess.
Sobald sich die Türen hinter ihr schlossen, marschierte Sophie frohgemut den Flur entlang. Sie schwor sich, sobald sie hier fertig war, würde sie Mr Knightly mitteilen, dass sie mit der Hochzeit des Jahres nichts mehr zu tun haben wollte.
Aber zuerst musste sie diesem verfluchten Haus entkommen! Sie war sicher gewesen, dass sie den richtigen Weg zum Foyer eingeschlagen hatte, aber nach einigen Minuten erkannte sie nichts mehr wieder. Ihr musste ein Fehler unterlaufen sein. Nun, das war nicht schlimm. Sie würde einfach umkehren und einen anderen Weg versuchen. Doch nach ein paar weiteren vergeblichen Anläufen musste sie sich widerstrebend eingestehen, dass sie sich wirklich und wahrhaftig verlaufen hatte.
Sophie spürte, wie langsam Hitze in ihr aufstieg. Das war so demütigend! Sie fürchtete, in Panik zu geraten.
Weil sie sich genau erinnerte, dass sie auf dem Weg zu den Duchessen keinen Korridor durchquert hatte, sondern eine Reihe Salons, die ineinander übergingen, begann Sophie voller Hoffnung, Türen zu öffnen. Vielleicht fand sie ja hinter einer Tür einen Raum, der ihr vertraut vorkam. Oder sie lief einem Dienstboten über den Weg, der ihr zeigte, wo es langging. Oder – noch besser – er geleitete sie persönlich aus dem riesigen Schloss.
Nach so einer Episode verbot man ihr vielleicht sogar, die Residenz noch einmal zu betreten. Das kümmerte sie nicht, denn sobald sie sich von dieser Angelegenheit zurückgezogen hatte – sie hoffte so sehr, dass Mr Knightly ihr erlaubte, sich einfach nur ihrer üblichen Kolumne zu widmen –, hätte Miss Sophie Harlow, das Schreibende Fräulein von der London Weekly, nichts mehr mit dem Duke of Hamilton and Brandon oder irgendjemandem aus seinem Haushalt zu tun.
Vielleicht ist ja diese Tür die richtige, dachte Sophie und drehte den Knauf. Sie öffnete die Tür einen Spalt und spähte hinein.
Verflixt!
Rasch versuchte sie, die Tür zu schließen, ehe sie gesehen oder bemerkt wurde.
Aber es war bereits zu spät.
Kapitel 6
»Herein«, rief eine feste, befehlsgewohnte Stimme, die ein wenig erschöpft und verärgert klang. Sophie betrat den Raum und musste feststellen, dass sie auf ihren Irrwegen durch den herzoglichen Palast im persönlichen Arbeitszimmer des Dukes gelandet war.
Verflixt und zugenäht!
Seine Gnaden saß an seinem Schreibtisch. Bei dem Möbelstück handelte es sich um einen massiven, stabilen und mit Schnitzereien verzierten Mahagonischreibtisch, der aussah, als erforderte es mindestens sechs Männer, um ihn zu bewegen.
Bücherregale säumten drei Wände und bargen Tausende Bände, die in buntes Leder gebunden waren. Die Bücher standen hinter Glastüren sicher verschlossen. Ein riesiger Globus stand in einer Zimmerecke. Es gab dick gepolsterte Sessel und dazu passende Sofas und noch all die anderen, teuren Dinge, die man in einem Raum wie diesem erwarten durfte.
Der Duke blickte von seiner Arbeit auf und musterte sie gründlich, als könnte er sich keinen Reim darauf machen, warum ausgerechnet sie in seinem Arbeitszimmer auftauchte.
»Es tut mir schrecklich leid, Sie zu stören. Wie ich sehe, sind Sie beschäftigt, ich werde mich also ein anderes Mal an Sie wenden. Guten Tag«, sagte sie und wollte gehen. Sie fragte sich, ob sie einfach durch eines der bodentiefen Fenster, die auf den Innenhof gingen, hinausspringen sollte, entschied sich aber dann dagegen.
Es kam auch nicht infrage, einfach zu bleiben. Miss Sophie Harlow hatte nichts mit einem Mann zu schaffen, der junge, unschuldige Damen wie sie vom Pfad der Tugend abbrachte. Gut, sie hatte ihn nicht gefragt, ob er verlobt war. Trotzdem hatte sie keinen Grund, auch nur eine Sekunde länger zu bleiben, sondern jedes Recht, sofort wieder zu verschwinden.
»Ich habe gerade einen Augenblick Zeit, Miss Harlow«, sagte Lord Brandon und stand hinter seinem Schreibtisch auf. Als müsste sie an seine beeindruckende
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