Lady meines Herzens
lieber auf die Zunge biss.
»Nun, es war nett, dich wiederzusehen. Sehr überraschend und nett«, sagte Matthew. Lavinia lächelte und nickte dazu. Sie wollten gehen, und Sophie würde die beiden wahrscheinlich nie wiedersehen – und nie wieder eine Gelegenheit bekommen, ihnen eine von diesen vielen unangemessenen Fragen zu stellen.
»Bevor ihr geht«, stieß sie hervor, »möchte ich dir, Matthew, und deiner Frau eine entsetzlich ungehörige Frage stellen. Und ich wünsche mir eine ehrliche Antwort darauf.«
»Sophie …«, setzte Matthew an. Er fühlte sich sichtlich unwohl. »Jetzt ist vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt.«
»Matthew, du hast mir am Tag unserer Hochzeit den Laufpass gegeben und mich damit in größte Verlegenheit gestürzt. Mein Leben war danach nicht mehr dasselbe. Ich bin sicher, du hast einen Moment Zeit, um mir wenigstens eine Frage zu beantworten.«
»Natürlich«, gab Matthew nach. Lavinia nickte. Sophie widerstand dem Drang, zu sagen: » Das habe ich mir gedacht.« Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Brandon sich ein Grinsen verkniff.
»Hast du es bereut, dass du mich verlassen hast, Matthew? Und Lavinia, haben Sie es bereut, ihn mir weggenommen zu haben?«
Zuerst schwiegen die beiden. Es war ein langes, unangenehmes Schweigen.
Matthew spielte mit den Knöpfen seiner Weste. Diese nervöse Angewohnheit hatte er also nicht abgelegt. Lavinia bemerkte es und nahm zärtlich seine Hand. Sophie fragte sich, warum sie nie auf die Idee gekommen war, etwas Derartiges für ihn zu tun.
»Ich weiß, es ist sehr unhöflich von mir, das zu fragen. Aber ich würde mich für den Rest meines Lebens über mich ärgern, wenn ich diese Gelegenheit verstreichen ließe.«
»Ich verstehe Ihr Interesse sehr gut«, sagte Lavinia. »Ich habe damals nicht gewusst, was Matthew vorhatte. Er kam später zu mir und erzählte mir davon. Ich war fürchterlich entsetzt um Ihretwillen und habe ihn gehörig ins Gebet genommen, weil er diese Unterhaltung so … unpassend geführt hat. Es tut mir so leid, dass wir Ihnen wehgetan haben. Das war keine unserer Sternstunden.«
Um ihre Worte zu unterstreichen, drehte sie sich zu Matthew um und knuffte ihn gegen die Schulter. Er verzog das Gesicht, beklagte sich aber nicht. Sophie lächelte ironisch.
»Aber trotzdem«, fuhr Lavinia vorsichtig fort, »habe ich damals gefühlt und fühle es noch heute, dass er der Richtige für mich ist. Ich könnte ihn nicht gehen lassen.«
Sophie nickte, denn das verstand sie. »Matthew?«
»Manchmal frage ich mich, wie unser Leben verlaufen wäre, wenn ich die Trauung nicht unterbrochen hätte, Sophie«, begann Matthew vorsichtig. »Wir wären verheiratet, nehme ich an. Vermutlich hätten wir inzwischen ein Kind. Wir würden noch in Chesham leben – ich wäre nie auf Reisen gegangen, und du wärst nicht in London gelandet.«
»Du bereust es also überhaupt nicht«, sagte Sophie.
»Ich hasse es, wie sehr ich dir wehtun musste, und es tut mir aufrichtig leid. Aber ich glaube, wir wären nicht glücklich geworden mit dem Leben, das wir gemeinsam geplant hatten. Jetzt bin ich sehr glücklich. Ich bereue nur den Schmerz, den ich dir zufügen musste. Meine Entscheidung bereue ich nicht.« Matthew unterstrich diese Worte, indem er Lavinias Hand nahm. Seine Ehefrau.
» Vielen Dank für die ehrlichen Worte«, sagte Sophie. Sie fühlte sich irgendwie betäubt, aber zugleich empfand sie das, was sie gehört hatte, als Geschenk.
Alle waren erpicht darauf, ihren Weg fortzusetzen, darum verabschiedeten sie sich rasch. Mit einem letzten Gruß verschwand Matthew Fletcher erneut aus ihrem Leben.
Brandon reichte Sophie ein Taschentuch, aber ihre Augen blieben merkwürdigerweise trocken. Das war vermutlich der Schock. Oder ihr Kontingent an Tränen, die sie um Matthew Fletcher weinen konnte, war seit Langem erschöpft. Es war einige Zeit her, seit sie ihn vermisst hatte.
»Es tut ihm überhaupt nicht leid«, wiederholte sie, nachdem sie ein Stück gegangen waren. Sie musste es einfach noch einmal aussprechen. Sie hatte gehofft, Matthew habe quälende Gewissensbisse oder bereute wenigstens, was passiert war. Dass es nicht so war, entsetzte sie. Verwirrt fragte sie sich, was Brandon darüber dachte.
»Es tut ihm nicht leid, mich verlassen zu haben. Er bereut nicht, eine Frau wegen einer anderen verlassen zu haben«, wiederholte sie.
Der gesunde Menschenverstand musste Brandon verlassen haben, als er sie zu diesem Spaziergang einlud. Er war von
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