Lady Sunshine und Mister Moon
ihrem Haar verdeckt. Unmöglich zu sehen, was da vor sich geht.“ Beck stürzte den Rest seines Kaffees hinunter und atmete deutlich hörbar aus. „Ich bin mir fast sicher, dass es in diese Richtung geht. Aber wer ist ihr Partner? Er müsste in der Nähe sein. Und ich habe in den letzten zwanzig Minuten schon alles abgescannt und trotzdem niemanden bemerkt, der sich auch nur ansatzweise verdächtig verhält.“
„Dann sollte einer von uns runtergehen und sich umsehen.“
Beck trat vom Bildschirm zurück und warf seinen Plastikbecher in den nächsten Mülleimer. „Das übernehme ich. Ich muss mir sowieso mal die Beine vertreten.“
„Gut, in Ordnung. Ich widme mich wieder meinen Unterlagen. Falls du da unten nichts herausfindest, lass es mich wissen, dann probieren wir was anderes.“ Er schaute auf seine Uhr, als Beck ihn verließ. Fast Feierabend.
Normalerweise hätte er diesen Gedanken beiseitegeschoben und sich darauf gefreut, an einer Lösung für eine brandneue Betrugsmethode zu tüfteln. Die Security-Abteilung des Avventurato wies exzellente Erfolge bei der Aufdeckung und Aufklärung dieser Techniken auf; es wurde nichtsdestotrotz immer wieder versucht, das Kasino zu knacken. Seit für jeden aufgedeckten Betrug mindestens zwei neue Maschen auftauchten, glich Wolfs Job einer Art niemals endender Ausbildung. Er schätzte das sehr.
Doch jetzt, wo Niklaus allein zu Hause war, ertappte sich Wolf dabei, dass er hoffte, die vermeintliche Betrügerei würde sich – wenigstens an diesem Abend – als eine einfache Sache entpuppen, die schnell zu regeln wäre.
Beck kam nach weniger als zwanzig Minuten zurück. „Ich weiß, dass sie verkabelt ist“, sagte er. „Ich habe es im Gefühl, aber ich kann es nicht beweisen. Ich habe niemanden gefunden, den ich ihr zuordnen könnte.“
Wolf schloss die Datei in seinem Computer und lehnte sich in seinem Bürostuhl zurück. „Fred“, rief er zum jüngsten Techniker des Sicherheitsteams hinüber. „Fahren Sie doch mal alle Videos von Quadrant vier hoch. Die letzten vierundzwanzig Stunden.“ Dan McAsters Bitte im Ohr, seinen Mitarbeitern gegenüber etwas herzlicher aufzutreten, ergänzte er in einem etwas freundlicheren Ton: „Bitte.“
Fred warf ihm einen irritierten Blick zu und lächelte dann freundlich. „Sicher, Mr. Jones.“
In Ordnung. Das hatte nicht wehgetan. Und Dan hatte vielleicht recht: Wenn er eines Tages wirklich auf dem Chefsessel sitzen wollte, musste er seine Umgangsformen wohl etwas verbessern.
Die Videos zu sichten würde wahrscheinlich eine Weile dauern, und er entschuldigte sich, um Niklaus anzurufen. Er versuchte es bei sich zu Hause, aber dort nahm niemand ab. Wolf warf einen Blick auf seine Uhr. Viertel nach elf – fünfzehn Minuten später als die vereinbarte Zeit, zu der Niklaus zu Hause sein sollte. Er wählte die Handynummer seines Neffen. Nach dem vierten Klingeln hob jemand ab.
„Hallo“, sagte Nik. Er klang aufgekratzt.
„Weißt du, wie spät es ist?“
„Da ich keine Uhr besitze …“, antwortete sein Neffe in einem Tonfall, der nicht freundlich, sondern vielmehr gelangweilt klang, „… habe ich in letzter Zeit auch nicht auf die Zeit geachtet. Nein, weiß ich nicht.“
„Es ist schon nach elf! Du solltest längst zu Hause sein.“
„Ich bin doch schon in dem verdammten Wohnkomplex.“ Niklaus Stimme klang nun sehr trotzig. „Die Jungs waren hier. Wir waren schwimmen. Sie sind gerade weg, und ich bin auf dem Weg nach oben. Ist das okay für dich, Herr Diktator?“
Verflucht! Konnte er es diesem Jungen denn niemals recht machen? Er hatte es bis jetzt noch nicht einmal geschafft, Niks neue Freunde kennenzulernen. Hoffentlich waren es nette Jungs und nicht die Sorte Punks, mit denen er im letzten Schuljahr abgehangen hatte.
Wolf wusste, dass er die Antwort seines Neffen mit seinem vorwurfsvollen Ton provoziert hatte, und er seufzte. „Es tut mir leid, Nik. Ich hätte keine falschen Schlüsse ziehen dürfen. Ich weiß, dass du ein verantwortungsbewusster Junge bist.“ Auf sein Einlenken folgte Stille, also fuhr er fort: „Hier gibt es ein Problem, und es könnte spät werden. Ist das in Ordnung für dich?“
„Nein. Ich bin nämlich ein beschissenes Baby, das man nicht alleinlassen kann.“
Mist, Mist, Mist, Mist, Mist! „So habe ich das nicht gemeint.“ Ich fühle mich schlecht, weil ich nicht mehr Zeit mit dir verbringe. Ich habe Schuldgefühle, verdammt noch mal.
„Ich komme nach Hause, sobald ich
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