Lady Sunshine und Mister Moon
vorher.“
„Und? Hat es sich am Ende wirklich als Initiation herausgestellt?“
Er lachte kurz. „Was glaubst du wohl?“
„Ich vermute mal, nein.“
„Richtig. Die Geschichte wiederholte sich.“ Er spürte, wie sein Gesicht versteinerte, aber er konnte es nicht verhindern. „Das war so ziemlich das Ende meiner Freundschaft mit dieser Bande.“ Ihren Blick erwidernd, sagte er zu seiner Verteidigung: „Ich weiß, dass du denkst, dass es doch nur ein paar Teenager waren.“
„Das denke ich nicht …“
„Und so wie dort war es in jeder verdammten Botschaft, in der wir gelebt haben. Wenn man von der falschen Seite durch die Tür kam, war man zwar gut genug, um mit den Botschaftskindern abzuhängen, wenn es gerade nichts Besseres zu tun gab – aber um in Gesellschaft miteinander zu sprechen, dazu nicht.“ Wolfgang räusperte sich. „Ich habe den braven Jungen gespielt, solange ich es aushalten konnte. Aber irgendwann habe ich es einfach aufgegeben, mich anzupassen.“ Was für eine furchtbar einsame Zeit das gewesen war! Wolf hatte vorher keine Ahnung gehabt, dass man sich so allein fühlen konnte. Er hasste es, aber es gab nicht besonders viele Möglichkeiten, etwas zu ändern. Sein Vater war immer beschäftigt gewesen – mit dem Üblichen –, und seine Schwester hatte damals schon damit begonnen, ein wildes Leben zu führen. Seine Mutter liebte ihn, sicher, daran zweifelte er keine Sekunde. Aber er wusste auch, dass Rick immer die erste Geige spielte.
Also hatte er sich mit der Situation abgefunden. Und dabei entdeckt, dass das Alleinsein gar nicht so schlecht war. Wenn man erst gar niemanden an sich heranließ, konnte man auch nicht enttäuscht werden.
Carly rieb über sein Handgelenk. „Es tut mir so leid“, sagte sie sanft. „Das muss unglaublich hart gewesen sein.“
So ein Mist! Er wollte nicht, dass sie ihn bemitleidete, deshalb zuckte er mit den Schultern. „Das ist alles schon so lange her. Es hat mir geholfen, mich darauf zu konzentrieren, was ich im Leben erreichen will.“
Sie löste sich von ihm und richtete sich auf. „Dein großer Plan?“
„Ja.“ Seine Haut fühlte sich dort, wo sie ihn berührt hatte, plötzlich kalt an.
„Ich nehme an, es geht darum, auf die andere Seite der Tür zu gelangen.“
Sie kritisierte ihn also. Wolfgang spannte die Kiefermuskeln an. „Exakt.“
„Aber du hast doch fast alles erreicht, was du wolltest, nicht wahr? Warum bist du dann nicht glücklich?“
„Du klingst wie meine Mutter.“ Er sah sich nach der Kellnerin um und bat um die Rechnung. Dann wandte er sich wieder an Carly und sagte matt: „Ich bin glücklich. Ich werde aber noch viel glücklicher sein, wenn ich alles erreicht habe.“
Sie hob abwehrend die Hände. „Okay“, sagte sie warm. „Ich wünsche dir, dass das bald geschieht.“ In ihrem Gesicht spiegelte sich nichts als Wohlwollen.
Seine Verteidigungshaltung löste sich auf, und doch blieb ein gewisses Unbehagen.
Weil er den Eindruck nicht loswurde, dass sie tief enttäuscht von ihm war. Und aus irgendeinem Grund gefiel ihm das gar nicht.
22. KAPITEL
I ch habe beschlossen, mit Wolfgang mal einen Gang zurückzuschalten“, erklärte Carly nach der letzten Show des Abends in der Garderobe. Sie griff nach einem Wattebausch, um das Reinigungsöl von ihrem Gesicht abzutupfen. „Dieser Mann schleppt einen ganzen Haufen Ballast mit sich herum.“
„Klingt vernünftig“, sagte Treena, die sich über den Spiegel beugte, um die künstlichen Wimpern zu entfernen. Sie blickte zu Carly und übertönte das Geschnatter der anderen Tänzerinnen, die sich ebenfalls umzogen. „Damit meine ich nicht den Ballast. Darüber würde ich an deiner Stelle sowieso nicht zu viel nachdenken. Aber die Sache mit deinem Rückzug finde ich klug. Es fasziniert mich ohnehin, dass du ihn nach diesem Du-bist-nicht-gut-genug-für-meine-Pläne-Quatsch so nah an dich heranlässt.“ Sie zog das Haarnetz vom Kopf, das sie unter der Baby-Jazz-Perücke getragen hatte, und verstrubbelte die platt gedrückten Strähnen, bis wieder füllige rote Locken ihr Gesicht umrahmten. „Also, was hat dieser Oberidiot diesmal getan?“
„Hey!“ Carly wirbelte herum. „Er ist kein Idiot! Stell dir mal vor, ich hätte Jax so genannt, als du herausgefunden hast, dass er dir die ganze Zeit etwas vorgemacht hat.“
„Du meinst im Gegensatz dazu, ihn als Arsch zu titulieren und mir seine Kastration anzubieten?“
„Ganz genau.“ Carly lächelte ihre Freundin
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