Laennaeus, Olle
eine
Pistole bei sich, als sie zu Torstensson fuhren. Aber vielleicht wollten sie ihm
damit nur Angst machen. Doch er hat keinen Zweifel, dass Fatima die Wahrheit über
das Telefonat gesagt hat.
Langsam dringt ein unangenehmer Gedanke
in Konrads Bewusstsein, der die ganze Zeit schon an ihm genagt hat: Wenn die Polizei
den Bericht des Mädchens hört, kann es sein, dass sie glauben, er wäre derjenige,
mit dem Feriz telefoniert hat.
KAPITEL 25
Die Archivarin heißt Eleonor Bengtsson
und sieht aus, als leide sie furchtbar unter der Hitze.
Sie ist eine kleine, etwas pummelige
Frau mit rotgefleckter Haut und dünnem Haar, das platt am Kopf anliegt. Die Batikbluse
reicht ihr bis zu den Knien. Unterhalb der schlabberigen Leinenhosen lugt eine Reihe
dicker Zehen aus den Gesundheitssandalen hervor. Und obwohl sie sich mit schildkrötenähnlicher
Langsamkeit bewegt, dringen pfeifende Geräusche aus ihren Lungen, wenn sie Luft
holt.
Eleonor Bengtssons Büro liegt im Erdgeschoss
am Ende eines langen Korridors in dem roten Ziegelgebäude der Gemeindeverwaltung
am alten Marktplatz. Der Raum ist voller kleiner Stoffpuppen in Rüschenkleidern
oder farbenfrohen Röcken. Konrad hat den Eindruck, als starrten sie ihn dort, wo
er sitzt und wartet, hinterhältig an.
Dann kommt sie zurück. Als sie sich
an den Schreibtisch setzt, vibriert der Fußboden. Sie fächert sich mit der dünnen
braunen Mappe, die sie gerade geholt hat, Luft zu.
«Puh, ich muss wirklich aufhören zu
rauchen!»
Sie lächelt entschuldigend durch ihr
rosafarbenes Brillengestell, nimmt eine Papierserviette aus ihrer Handtasche und
tupft sich die Stirn ab.
«Etwas zu trinken?»
Es klirrt in den Gläsern, als sie Wasser
mit Eiswürfeln aus einer Karaffe einschenkt.
«Gut, dass Sie vorm Wochenende angerufen
haben, so hatten wir Zeit zum Suchen. Es geschieht nämlich nicht gerade oft, dass
jemand nach so alten Unterlagen fragt. Das hier ist allerdings alles, was ich finden
konnte. Der Chef vom Sozialamt hat sie bereits im Hinblick auf die Geheimhaltungspflicht
geprüft, es ist also kein Problem, wenn Sie sie lesen.»
Sie legt die Akte vor Konrad auf den
Tisch.
«Wie Sie sehen, sind es lediglich die
Dokumente vom Sozialamt. Die Adoptionsunterlagen sind verschwunden, und das wundert
mich auch kein bisschen. Es grenzt an einen Skandal, was für ein Chaos in dieser
Gemeinde herrscht. Und ich selber habe leider absolut keine Zeit, da Ordnung hineinzubringen.
Ich hab zu viel zu tun. Neben der Betreuung des Archivs muss ich nämlich noch eine
Menge anderer Aufgaben erledigen.»
«Ich verstehe.»
«Nehmen Sie sich die Zeit, die Sie
brauchen.»
Trotz der großzügigen Aufforderung
macht sie keine Anstalten, ihn allein zu lassen. Stattdessen verschränkt sie die
Arme vor der Brust und betrachtet ihn neugierig.
Konrad wirft ihr einen Blick zu und
öffnet dann vorsichtig die Mappe.
«Wenn Sie möchten, kann ich Kopien
anfertigen», bietet sie ihm dienstbeflissen an.
Er macht eine abwehrende Geste mit
der Hand.
Zwischen den Aktendeckeln liegen nur
einige wenige vergilbte Papierbögen. Formulare, ausgefüllt mit Schreibmaschinenschrift.
«Waren nicht Sie das, der in Bagdad
als Geisel genommen wurde?», fragt Eleonor Bengtsson, obwohl sie die Antwort offensichtlich
bereits weiß.
Er schaut kurz auf und nickt.
«Ich habe es in den Nachrichten gehört.
Ein paar Jahre ist es inzwischen wohl her, oder? Aber damals habe ich natürlich
nicht gewusst, dass Sie das waren.»
Konrad hat nicht die geringste Lust,
daran erinnert zu werden. Er schweigt und versucht sich auf das Dokument zu konzentrieren.
Beschluss bezüglich der Unterbringung
bei Pflegeeltern, steht dort. Und dann sein Name: Konrad Stankiewic.
Personennummer: 611207-2479.
Es ist ein merkwürdiges Gefühl, das
Dokument nach so vielen Jahren zu Gesicht zu bekommen. Als handle die Akte in Wirklichkeit
von jemand anderem. Einer Person, die er als Kind kannte, zu der er aber schon vor
langer Zeit den Kontakt verloren hat. Stankiewic. Natürlich war
Konrad klar, dass dieser Name in den alten Dokumenten stehen würde. Aber es ist
das erste Mal, dass er ihn mit eigenen Augen geschrieben sieht.
«Sie haben wirklich viele schlimme
Dinge durchgemacht», sagt die Archivarin mit einer Stimme voller Mitleid.
Sie hat die Brille abgenommen und den
Kopf leicht schief gelegt. Konrad versucht so zu tun, als sei sie nicht anwesend.
«Ich meine, erst das mit dem Dolmetscher
in Bagdad. Und jetzt den Mord an Ihren
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