Laienspiel
machte die junge Frau mit den strubbligen schwarzen Haaren eine Kaugummiblase. »Und was soll das sein?«
»Das weist mich als Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes aus. Und Sie täten gut daran, mir zu sagen, wie der Mann aussah, der gerade hier hereingekommen ist.«
»Ja, meinen Sie, ich hab Zeit, mir zu merken, wer hier alles reinkommt?«
Genervt drehte sich Yildrim zu seinen Kollegen um.
»Gibt es einen Hinterausgang?«
Mit glasigen Augen schaute die Frau ihn an. »Mhm.«
»Und wo ist der?«
»Na, hinten.«
Yildrim stieg die Zornesröte ins Gesicht. Er bellte ihr das schärfste »Wo?« entgegen, das Kluftinger je gehört hatte. Das zeigte Wirkung, denn der Blick der Frau wirkte nun zumindest etwas wacher als zuvor, und sie erklärte ihnen rasch den Weg. »Marlene!«
Marlene Lahm verstand und machte sich sofort auf den Weg.
»Und Sie, Herr …«
»Strobl.«
»Sie bleiben hier am Eingang. Keiner kommt ohne Kontrolle raus, keiner kommt mehr rein.« Dann forderte Yildrim Verstärkung an. Unmissverständlich machte er dabei klar, dass alle Kräfte mobilisiert werden mussten, die gerade zur Verfügung standen. Auch von Hunden sprach er. Kluftinger verstand nicht. Was hatte Yildrim vor?
»Haben Sie ihn gesehen?«, riss der den Kommissar aus seinen Gedanken.
»Nein, nicht richtig.«
»Verdammt.«
»Tut mir leid.«
»Ist ja nicht Ihre Schuld. Soviel ich mitbekommen habe, hatte er Jeans und Turnschuhe an. Na, das wird uns hier ja eine große Hilfe sein«, sagte er bitter. »Hören Sie: Bis die anderen da sind, werden wir uns mal nach ihm umsehen. Vielleicht wird er nervös und versucht zu fliehen. Wir durchstreifen die Disko im Abstand von drei, vier Metern und werden dabei immer Blickkontakt halten. Wenn wir was Verdächtiges bemerken: Zugriff.« Bei diesen Worten legte Yildrim seine Hand auf seine Sakkotasche. Kluftinger wusste, dass sich darunter sein Pistolenholster befand. Er bekam weiche Knie. Wenn hier in der Disko geschossen werden würde, wären die Folgen nicht auszudenken. Den Attentäter zu finden wäre dann ihr kleinstes Problem.
»Also dann, los.«
Sie öffneten eine weitere Tür und gelangten in einen Vorraum mit einer Bar und einigen Sitzecken, auf denen sich nur wenige junge Menschen, meist Pärchen, bei schummriger Beleuchtung herumdrückten. Die eigentliche Disko begann hinter der nächsten Tür, durch deren bullaugenförmiges Fenster Kluftinger bunte Lichtblitze zucken sah. Auch die Musik musste dort unerträglich laut sein, denn bereits durch die massive Tür wummerten die Bässe so kräftig, dass er sie im Magen spüren konnte.
Zusammen mit Yildrim ließ er seinen Blick über die Gäste im Vorraum wandern. Dann sahen sie sich an und schüttelten synchron den Kopf. Das bisschen, was sie von dem Mann gesehen hatten, schien auf keinen der hier Anwesenden zu passen. Yildrim zeigte mit dem Kopf in Richtung Tür, und Kluftinger folgte ihm.
Als er sie geöffnet hatte, blieb der Kommissar für einen Augenblick stehen. Es waren zu viele Eindrücke, die hier gleichzeitig auf ihn einprasselten. Er musste sie erst verarbeiten, bevor er weitergehen konnte. Am meisten machte ihm der Lärm zu schaffen, dieses Gemisch aus dröhnenden Bässen, schrillem Pfeifen und futuristisch wirkendem Geblubber. Das sollte Musik sein? Offenbar, denn auf der Tanzfläche drängten sich dicht an dicht die Menschen. Dazwischen blitzten Lichter, ab und zu schaltete sich eine Stroboskop-Lampe ein, Kunstnebel waberte durch den Raum. Kluftinger schluckte: Wie sollten sie in diesem Chaos irgendjemanden finden?
Auch Yildrim schien sich erst orientieren zu müssen. Kluftinger sah, wie sein Blick nach links über die lange Bar glitt, weiter über die Tanzfläche zu den Sitzgruppen am hinteren Ende, über das DJ-Pult gegenüber und schließlich nach oben.
Auch Kluftinger hob nun den Kopf: Es war schon verrückt, er hätte nicht gedacht, dass er noch einmal herkommen würde. Er kannte das Gebäude sehr gut. Früher war hier das Kino gewesen, und er erinnerte sich noch an die ersten Filme, die er gesehen hatte: Winnetou, Emil und die Detektive. Auch daran, dass er mit Erika hier einen seiner ersten Abende verbracht hatte. Was ihn am meisten überraschte: Einige Accessoires des Kinosaals waren erhalten geblieben, etwa die Lampen oder die weinrote Plüschbespannung der Wände. Es wirkte gar nicht so kalt und technisch, wie er sich Diskos immer vorgestellt hatte. Sogar den Namen hatten sie beibehalten: Parktheater hatte schon
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