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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Grinsen breit: »Ich denke, mein Charakter ist gut. Viel zu gut für diese Welt. Zu geduldig, zu gastfreundlich und zu wenig direkt.«
    Langhammer blickte verstört auf. »Wie können Sie denn etwas über die Gastfreundschaft des Fischers sagen?«
    »Ach so, Sie meinen, wie ich … den Ruodi im Stück sehe?« Wieder lächelte der Kommissar. »Mei, ein Fischer halt. Ich kenn ihn ja nicht persönlich.«
    »Ich werde Ihnen mal sagen, wie ich ihn sehe. In erster Linie ist er ja Fischer und nicht Fährmann, wissen Sie? Nun, und als Jäger ist ihm der Werni, also in diesem Falle ich, Ihnen, also seelenverwandt, denke ich. Vielleicht sollten Sie sich das auch notieren?«
    »Ich merk’s mir lieber«, antwortete Kluftinger brummig.
    »Na gut, fangen wir einfach mal an.«
    Also verschränkte Kluftinger die Arme, dachte kurz nach und sagte seinen ersten Satz. Immerhin, im Gegensatz zum Neuling Langhammer konnte er seinen Text bereits auswendig: »Mach hurtig, Jenni, zieh die Naue ein!«
    Erwartungsvoll blickte er darauf den Doktor an, der mit geschlossenen Augen vor ihm saß und keinen Laut von sich gab. Kluftinger wartete etwa dreißig Sekunden, dann stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht: »Kleiner Texthänger?«
    Die Augen des Doktors öffneten sich einen Spalt, dann flüsterte er: »Bitte, bleiben Sie in der Rolle. Ich versuche nur, mich in die Situation einzufühlen. Kann ich den Satz noch mal haben?«
    Kluftinger war so perplex, dass er ohne zu zögern noch einmal begann. Diesmal antwortete ihm der Doktor aufs Stichwort: »Die Fische springen, ein Gewitter ist im Anzug.«
    Ein paar Sätze lang sagten sie einfach ihren Text auf, und in Kluftinger wuchs die Hoffnung auf ein baldiges Ende des Tête-a-Têtes. Doch als sie zu der Stelle gelangten, in der Ruodi mit Blick auf seine eigene Familie die Überfahrt des flüchtigen Baumgarten über den tosenden See ablehnt, murmelte der Doktor: »Vielleicht etwas zornig.«
    »Wie bitte?«
    »Nichts.«
    »Doch, Sie haben doch gerade etwas gesagt.«
    »Nichts Wichtiges.«
    »Dann sagen Sie’s halt.«
    »Es war nichts von Bedeutung.«
    »Na gut, dann eben nicht.«
    »Also, wenn Sie mich schon so drum bitten: Ich finde, Sie sollten ihn doch ein bisschen weniger zornig anlegen. Er hat Angst um sein Leben, er ist ja nicht wütend auf irgendjemanden.«
    Ein paar Sekunden blieb es still. Kluftinger hatte Mühe, Luft zu bekommen.
    »Überlegen Sie sich doch einfach mal, wie Sie in dieser Situation reagieren würden«, gab Langhammer weiter den Regisseur.
    Eins drüberziehen würd ich ihm, und eine Ruh wär, dachte sich der Kommissar. Doch was er sagte, klang wie: »Aha.«
    »Ich meine ja nur.«
    »Soso.«
    »Vielleicht sollten wir noch mal von vorn anfangen. Ich finde, die Aggression überlagert die Szene jetzt. Kann ich noch mal Ihren ersten Satz haben? Damit ich reinkomme?«
    In Kluftinger zog ein Gewitter auf, wie er es lange nicht mehr gespürt hatte. Er biss die Zähne zusammen, bis seine Kaumuskeln deutlich hervortraten, und presste dann gereizt seinen Text hervor: »Mach hurtig, Jenni. Zieh! Die! Naue! Ein!« Mit geröteten Wangen schmetterte Kluftinger dem Doktor die Worte entgegen.
    Eine Minute später gab er seinem »Ihr habt ein schön Geläute, Meister Hirt« einen derart zweideutigen Unterton, dass Langhammer seine Replik vergaß und im Textbuch nachschauen musste.
    »Ich kann nicht steuern gegen Sturm und Wellen«, schrie Kluftinger schließlich so laut, dass sich im ersten Stock das Fenster öffnete und seine Frau kurz den Kopf herausstreckte.
    »Es geht ums Leben, sei barmherzig, Fährmann.«
    »Was? Ich hab … Moment. Der Teil ist doch gestrichen«, wunderte sich der Kommissar.
    »Hm?«
    »Ihr Satz. Der zweite Teil. Mit dem barmherzig. Der ist gestrichen.« Kluftinger hatte schon als Kind auch den Text seiner Mitspieler gelernt. Die Erwachsenen hatte es immer geärgert, wenn ihnen ein Halbwüchsiger soufflierte.
    »Ach das, ja. Den … den Strich hab ich wieder aufgemacht.«
    »Wie: aufgemacht?«
    »Ich habe den Strich rückgängig gemacht, weil ich finde, dass das Wernis Intention besser erklärt. Es geht ihm nicht um Konfrontation, sondern um Mitgefühl. Einen Strich aufmachen, heißt das in der Theatersprache.«
    »Sie müssen’s ja wissen. Zeilen schinden, heißt das bei uns«, murmelte Kluftinger.
    »Bitte?«
    »Nix. Spielen Sie’s halt, dann brauchen Sie nicht so viel zu reden.«
    »Natürlich, spielen. Deswegen sind wir ja hier.«
    »Aber ich kann’s

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