Laienspiel
Minuten später wieder zu ihnen stieß, schob sie ihrem Sohn bei der Verabschiedung noch etwas in die Tasche seines Jankers.
»Für dich, Bub«, flüsterte sie, ohne die Lippen zu bewegen.
Kluftinger langte in die Tasche hinein und wollte seiner Mutter den vermeintlichen Geldschein schon wieder zurückgeben, spürte aber nur etwas Weiches. »Ich strick dir auch bald wieder welche«, fügte seine Mutter noch an, und nun war ihm klar, was sie da in seine Jacke gesteckt hatte: Socken.
Manchmal bedauerte er, dass er nicht ihre Durchsetzungsfähigkeit geerbt hatte. Die hätte ihm in seinem Beruf sehr hilfreich sein können.
Eine der vom Kommissar ungeliebten organisatorischen Aufgaben wartete auf ihn, als er zurück an seinen Arbeitsplatz kam. Nach dem, was er gerade hinter sich gebracht hatte, freute er sich jedoch geradezu auf die Büroarbeit: Er musste die Leitung seiner Abteilung kommissarisch übergeben, schließlich würde er für unbestimmte Zeit unabkömmlich sein. Yildrim hatte die nächste Sitzung erst für fünfzehn Uhr anberaumt, ihm blieb also eine knappe halbe Stunde Zeit, um alles zu regeln. Strobl würde das in seinem Sinne machen, da war sich Kluftinger sicher. Auch während seines Urlaubs war er stets kommissarischer Leiter, das hatte sich seit Langem so eingebürgert.
Als er den Fahrstuhl verließ, erblickte er im Vorzimmer nicht nur Sandra Henske, sondern zu seinem Missfallen auch Valentin Bydlinski, der auf Sandys Schreibtisch Platz genommen hatte und sich tief zu ihr hinüberbeugte. Sandy strahlte den österreichischen Kollegen an. Erst als sie ihren Chef sah, richtete sie sich auf, räusperte sich und machte ein dienstbeflissenes Gesicht. Kluftinger konnte nicht verstehen, wie man dem pomadigen Charme Bydlinskis auch nur das Geringste abgewinnen konnte. Aber schließlich war er ja auch keine Frau. Gott sei Dank.
»Herr Kluftinger, ich …«, setzte Sandy an. Bydlinski drehte sich, weiterhin auf den Schreibtisch gefläzt, um und unterbrach sie: »Ja, jetzt aber. Der Herr Kollege. Haben Sie schöne Schühchen bekommen zum Tanzen? Ist eh wichtig, dass man sich auch im Alter ein bisserl fit hält, gell?«
Kluftinger warf seiner Sekretärin einen bitterbösen Blick zu. Sandy zog schüchtern und entschuldigend die Schultern hoch und neigte ihren Kopf, während Bydlinski ihn breit grinsend anglotzte.
»Frau Henske, sofort Abteilungskonferenz in meinem Büro. In zwei Minuten, hören Sie?«, blaffte Kluftinger und wandte sich bereits zu seiner Bürotür, als sich Bydlinski erneut ungefragt zu Wort meldete: »Die Frau Sandy untersteht nicht mehr Ihrem Kommando!«
Verwirrt sah Kluftinger zu Sandy, die unsicher nickte. »Isch bin tatsäschlich abkommandiert worden zum Sonderkollektiv.«
»Sondergruppe«, korrigierte Bydlinski. »Du bist doch nicht mehr im Osten, du DDR-Schneckerl.«
»Warum jetzt das?«, wollte Kluftinger wissen.
»Nu, isch bin … also«, begann Sandy, und Bydlinski fuhr für sie fort: »Sie ist auf meinen Vorschlag hineingekommen. Der Oberboss hat gemeint, man braucht noch eine Sekretärin, und ich hab gesagt, da können wir eh gleich die Frau Sandy nehmen, dann haben wir wenigstens ein hübsches Gesicht dabei.« Bei diesen Worten warf er Sandra Henske einen Blick zu, dass Kluftinger übel wurde.
Sandy dagegen strahlte. Sie schien Kluftingers Ärger wegen ihres Vertrauensbruchs bereits völlig verdrängt zu haben.
»Ja, und da hat der Yildrim eh gleich zugestimmt. Also ein bisserl Vorsicht mit Anweisungen an die Frau Sandy, gell?« Der Österreicher grinste herausfordernd.
Noch bevor Kluftinger dem Alpencasanova Kontra geben konnte, betrat Hefele den Raum. Er stutzte kurz, als er Bydlinski auf dem Schreibtisch liegen sah, warf Sandy einen bitteren Blick zu und bat Kluftinger um ein kurzes Gespräch.
Im Büro öffnete Kluftinger zunächst ein Fenster, denn die Luft kam ihm stickig vor. Normalerweise lüftete Sandy jeden Tag, doch heute schien sie mit anderen Dingen beschäftigt zu sein.
»Also Klufti, ehrlich, ich will nicht mehr, dass dieser widerliche österreichische Typ dauernd bei uns hier herumhängt. Das hier ist ein Kommissariat und keine Wärmestube. Der soll schauen, dass er wieder heimfährt. Das geht den hier gar nichts an. Außerdem hält er ständig die Sandy vom Arbeiten ab. Ich kann auch nicht irgendwelche Freunde mitbringen zum Dienst und gemütlich ein Schwätzchen halten.«
»Roland, jetzt beruhig dich erst mal. Der Bydlinski ist in einer geheimen
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