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Laienspiel

Laienspiel

Titel: Laienspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kobr Volker Klüpfel
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Herumdrücken auf seinen Zehen.
    »Beweg mal die Zehen, dann kann man besser sehen, wie viel Platz du noch hast«, forderte ihn Erika auf, nachdem er sich standhaft einem Kollektivdrücken an seinen Füßen verweigert hatte.
    »Na ja, ein bissle eng sind sie schon vorne. Steh mal auf, dann rutscht der Vorfuß in die Spitze. Darauf muss man am meisten achten«, riet Hedwig Kluftinger.
    »Ganz richtig, gnädige Frau. Sind Sie denn vom Fach?«, wollte Sigel wissen. Kluftingers Mutter fühlte sich sichtbar geschmeichelt, verneinte jedoch.
    Schließlich wurde mit einer gegen drei Stimmen beschlossen, dass auch dieses Paar nicht passe.
    »Problemfüße«, murmelte der Verkäufer, kraulte sich am Kinn und erklärte auf Kluftingers Nachfrage, er wolle sich das doch einmal genauer ansehen. Sigel nahm wieder auf seinem Spezialhocker Platz und schnappte sich Kluftingers linken Fuß. Zunächst zog er den Schuh aus, um sanft an der Fußsohle entlang zu streifen. Dann nahm er sich den Fußrücken vor und massierte den Ballen des Kommissars. Kluftinger war wie gelähmt, er konnte nicht fassen, was da gerade passierte. Nicht einmal seine Frau ließ er so an seine Füße. Mehrmals strich Sigel mit beiden Händen den Strumpf glatt. Dann forderte er Kluftinger auf, seine Socken auszuziehen, wegen der Zehenstellung und weil er dann den Fuß besser befühlen könne.
    »Niemals!«, bellte Kluftinger, verschränkte die Arme und schüttelte trotzig den Kopf.
    »Dann nicht«, erwiderte H. Sigel beleidigt und hob die Hände. Als er aufstand, wischte er sich diese an der Hose ab und flüsterte der Mutter des Kommissars zu: »Sie haben wirklich Recht. Ihr Sohn hat stark schwitzende Füße. Wir werden jetzt eine Nummer größer probieren und den Unterschied durch Moos-Einlegesohlen ausgleichen. Die regulieren die Feuchtigkeit.«
    Kluftinger hatte das Gefühl, dass ihn die anderen gar nicht mehr wahrnahmen.
    Nach schätzungsweise einem weiteren Dutzend Schuhe, die entweder Erika zu klobig, seiner Mutter zu eng, dem Verkäufer suboptimal und in einem Fall sogar Kluftinger zu unbequem waren, schien Sigel mit seinem Latein am Ende: »Also, das ist wirklich das letzte Paar mit Ledersohle, das ich Ihnen anbieten kann.«
    »Passt nicht«, sagte Kluftinger etwa drei Sekunden, nachdem er hineingeschlüpft war. Seine Laune hatte sich, als er die Worte »letztes Paar« vernommen hatte, schlagartig von resignierter Lethargie zu fröhlicher Ungeduld gewandelt.
    »Warum? Der sieht aber recht weit aus«, wunderte sich Erika.
    »Genau«, erwiderte ihr Mann, mühevoll ein triumphales Grinsen unterdrückend, »leider zu weit, da schwimme ich ja regelrecht drin rum.«
    »Das geht natürlich nicht«, warf Hedwig Kluftinger besorgt ein.
    Dann fischte der Kommissar aus dem Schuhberg vor ihm seine Haferlschuhe und zog sie an. »Ah! Passt. Gehen wir.«
    »Haben Sie denn sonst wirklich gar nichts mehr? Auch nicht im Lager?«, erkundigte sich Erika mit einem leicht verzweifelten Unterton in der Stimme.
    Der Verkäufer zögerte lange und sagte dann in verschwörerischem Tonfall: »Also, wo Sie gerade das Lager erwähnen: Wir hätten vielleicht … etwas. Für … Problemfälle.« Er sah den erschrockenen Kluftinger kurz und prüfend an und fügte dann hinzu: »Ich denke, hier muss man von einem solchen sprechen.« Dann verschwand er wieder in dem ominösen Raum hinter dem Vorhang.
    Diesmal jedoch kam er lange nicht zurück. Die drei Kluftingers im Verkaufsraum warteten, ohne ein Wort miteinander zu wechseln. Der Kommissar starrte auf den Boden. Hätte ihn Faruk Yildrim so gesehen, er hätte ihn garantiert nicht mehr in der Task Force haben wollen, dachte er. Hinter jedem schwachen Mann steht eine zu starke Frau … oder wie auch immer dieser Spruch ging. Und wenn dann noch eine resolute Mutter dazu kam – was konnte Mann hier noch ausrichten? Zudem war er ein wenig verdrießlich, dass ihm kein Paar dieser vornehmen Schuhe gepasst hatte. Hatte ihm seine Vorliebe für bequeme Haferlschuhe die Füße derart deformiert? War er nicht mehr salonfähig?
    »So«, riss ihn der Verkäufer aus seinen trüben Gedanken, »leider durfte ich Ihre Füße ja nicht nackt befühlen, aber meines Erachtens kommt zu Ihrer Zehenfehlstellung ein Platt- beziehungsweise Senkfuß. Mag auch am … Gewicht liegen.«
    Eine Unverschämtheit, dachte sich der Kommissar, war aber seltsam versöhnt durch die Tatsache, dass sich Sigel nun nicht mehr über ihn, sondern mit ihm unterhielt. Jetzt

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