Lallbacken
Jahres Soldaten zu einem Soldatengottesdienst in den Kölner Dom. Mit der ganzen Wucht seines klerikalen Aggressionspotentials bestärkte der Kardinal die Soldaten, das zu tun, wofür sie ausgebildet wurden. Er predigte ihnen, es sei legitim, dass »ungerechte Gewalt durch Gegengewalt eingedämmt wird«, und es sei legitim, neu aufflammende Gewalt »im Keim zu ersticken«. Die Soldaten zu Füßen der bigotten Lallbacke verstanden: Sie waren die legitime Gewalt, die die ungerechte Gewalt des Taliban am Hindukusch nicht nur im Keim ersticken musste, sondern auch durfte.
Als der Truppe zwei Tanklastwagen mit Benzin geklaut wurden, die dann aber im Gelände steckenblieben, und sich zahlreiche Afghanen an den Wagen zu schaffen machten, entschied der deutsche Oberst Klein: Da waltet die ungerechte Gewalt des Taliban, also Bomben drauf. 142 Männer, Frauen und Kinder wurden so im Keim erstickt. Nach dieser Keimerstickung war, wie es im Militärjargon heißt, kaum noch Humanmaterial aufzufinden. 142 Tote. Es wurde spekuliert, welche juristischen Folgen das Massaker wohl haben würde. Der Exgeneralinspekteur Harald Kujat warnte: »Jeder wird sich überlegen, ob er unter diesen Bedingungen noch Führungsverantwortung übernimmt.«
Das hieß: Man sollte Bundeswehroffiziere auch bei Massentötungen von der Strafverfolgung ausnehmen. Offenbar war man in diesen Kreisen immer noch der Meinung, das Militär stünde über nationalem und internationalem Recht. Die deutschen Soldaten am Hindukusch standen jedenfalls – so berichtete der Spiegel unwidersprochen – wie ein Mann hinter ihrem Oberst. Der Sprecher des Bundeswehrverbands, Lallbacke Wilfried Stolze, erklärte: »Wir sagen, dass der Skandal nicht darin liegt, was in Kundus am 4. September passiert ist. Dort haben Soldaten ihre Pflicht getan. Und zu diesen Soldaten stehen wir.«
Ihre Pflicht? Es war lächerlich, wie sich der uniformierte Macho aufplusterte und seine großdeutsche Wehrmachtsattitüde auf den Markt trug. »Ich habe nur meine Pflicht getan!« ist der verlogenste Satz der gesamten Kriegsgeschichte der Menschheit: Pflicht eines Mannes ist es, Herr Offizier, den Vorgarten umzugraben, gute Nachbarschaft zu pflegen und liebevoll für Frau und Kinder zu sorgen – das ist seine Pflicht.
Im Kanzleramt war man total überrascht: Deutschland führte einen Krieg? In Afghanistan? Wo war das denn? Wenn das Frau Merkel wüsste! Was wusste sie überhaupt? Die Bundeskanzlerin thronte völlig ahnungslos über allem. Trotzdem hat sie für die Opfer des Massakers von Kundus im Namen Deutschlands die Verantwortung übernommen. Bestraft wurde sie nicht. 142 Ermordete, und niemand wurde bislang bestraft, niemand musste büßen.
Als im Mai 2011 rund 2000 aufgebrachte Demonstranten vor einem Bundeswehrlager in Taloqan gegen die Besatzer demonstrierten, wobei auch Steine flogen, konnte sich die Bundeswehr so was natürlich nicht gefallen lassen. Sie holte sich die einheimische Polizei zu Hilfe und hat sich nach Kräften gewehrt. Am Ende hieß es, die Bundeswehr müsse prüfen, ob sie geschossen habe. Das dauerte natürlich. Dann wurde verlautbart, man habe lediglich »Warnschüsse« abgegeben. In einer weiteren Meldung wurde dann zugegeben, man habe den Demonstranten »gezielt in die Beine« geschossen. Dann kam die Bestätigung, es habe auch Schüsse »in den Rumpfbereich« gegeben, und schließlich wollte man »nicht mehr ausschließen«, dass es auch »Treffer im Kopf- und Halsbereich« gegeben habe. Woher die zwölf toten Demonstranten und über achtzig Verletzten kamen, war ein Rätsel.
Sollten Afghanen eines Tages auf die Idee kommen, sich in München, Hamburg, Berlin oder sonst wo im Ursprungsland ihrer Trauer und ihrer Wut zu rächen, wird man sie nur sehr höflich bitten können: Verehrte Taliban, wenn Sie unbedingt Autobomben oder Selbstmörder in Deutschland zur Explosion bringen wollen, machen Sie das bitte nicht in unserer Fußgängerzone. Bemühen Sie sich doch bitte auf den nächsten deutschen Kasernenhof.
Innenminister Thomas de Maizière, die Schlaftablette der Bundesrepublik Deutschland, erklärte auf einer Pressekonferenz mit grabsteinähnlicher Mine: »Es gibt Grund zur Sorge, aber keinen Grund zur Hysterie.« Dieser Satz sorgte für Furcht und hysterischen Schrecken in den Medien – ganz, wie George Orwell es einst prophezeite und wie jeder Terrorist es sich wünschte: Der Spiegel sagte prompt den Sturmangriff eines Islamistentrupps auf den Reichstag
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