Lamento
ihr. Und bring es zu Ende.«
Diesmal kam keine Pause. »Ich kann es kaum erwarten.«
Ich rannte los, und meine nackten Füße klatschten auf den Asphalt. Ich wollte nichts mehr hören. Mein imaginäres Handy rauschte und verlor die Verbindung.
Er hatte gelogen.
Er hatte diese rauhe Stimme belogen. Hatte gelogen. Wenn ich es dreimal sagte, musste es wahr sein.
Acht
Mom fuhr mich zu meinem Auftritt. Jeder Hochzeitsplaner im Umkreis von zwei Autostunden kannte ihren Catering-Service, und innerhalb kürzester Zeit hatten sie herausgefunden, dass Mom auch die passende Musik zur Welt gebracht hatte. Was eigentlich gar nicht so übel war. Normalerweise traf ich etwa eine halbe Stunde vor meinem Konzert ein, verbrachte die Hälfte der verbleibenden Zeit damit, mich zu übergeben, schwebte dann hinein und spielte für ein paar hundert Dollar anmutig Harfe. Das war die Kotzerei wert. Mit zweihundert Dollar konnte ich meine CD-Sucht monatelang finanzieren, bis zum nächsten Engagement.
Aber heute wollte ich nicht, und das lag nicht an der Übelkeit. Ich dachte nicht einmal an den Auftritt. Sondern an Lukes Gelächter. Ich analysierte es aus jedem Blickwinkel … kam zu dem Schluss, dass ich zu viel darüber nachgrübelte … und befand dann, dass ich noch nicht gründlich genug darüber nachgedacht hatte.
Während der Fahrt schwieg Mom zunächst, weil sie vermutlich glaubte, mir sei übel. Aber ich sah ihr an, dass ihr etwas auf der Zunge lag, und ich behielt recht. Schließlich stellte sie das Radio leiser.
»Gestern Abend …« Aha. Frustration schwoll in mir an wie eine hässliche rote Brandblase und brach auf.
»Ich will nicht über Luke reden«, blaffte ich.
Ich hätte ihr ebenso gut ins Gesicht schlagen können. Sie hob sogar erschrocken die Finger an die Lippen, als hätte ich es getan. Natürlich verstieß ich damit gegen eine weitere Regel. Eigentlich sollte ich still dasitzen, mich von ihr niedermachen lassen, dann stumm nicken und tun, was immer sie gesagt hatte. Scheiß drauf!
Wütend zupfte ich am Saum des taillierten blauen Kleids, das Mom für mich gekauft hatte. Ich hasste dieses Kleid. Ich sah aus, als hätte ich den Kleiderschrank einer alten Frau geplündert. Fehlte nur noch eine dicke, überlange Perlenkette, und ich war fürs Kirchenpicknick gerüstet.
Also, was sollte das? Luke war mit dem verflixten Kaninchen im Bunde? Wieso machte er sich dann überhaupt die Mühe, mir was von Feen zu erzählen? Um sich mein Vertrauen zu erschleichen und mir dann unter den Rock zu fassen?
Mom trat abrupt auf die Bremse, worauf ich erschrocken hochfuhr, bereit für die nächste Runde. Aber nein, das war nicht Moms Art. Wir standen schon vor der Kirche.
»Was trägst du da eigentlich um den Hals?« Ihre Stimme hätte selbst Eisbären einen kalten Schauer über den Rücken gejagt.
Meine Hand fuhr zu der Kette, an der Lukes Schlüssel hing.
»Das sieht völlig bescheuert aus zu dem Kleid«, sagte Mom. Wow. Mindere Obszönität. Sie war richtig sauer auf mich.
»Ja, ja.« Als wollte ich das Ding jetzt noch tragen. Ich hakte die Kette auf und hielt sie mitsamt dem Schlüssel in der Hand.
»Steck die Kette in die Harfentasche, sonst verlierst du sie.« Mom drückte auf den Knopf, und der Kofferraumdeckel sprang auf. »Nimm dein Handy mit.«
Ich nahm es von der Ablage. »Du bleibst nicht da?«
Ihre Stimme wurde noch ein paar Grad frostiger. »Granna kann dich nachher abholen. Ich fahre nach Hause, ich muss arbeiten. Ruf sie an, wenn du fertig bist.«
»Ist gut. Bis später dann.« Ich konnte genauso eisig sein. Ich holte meine Harfe aus dem Kofferraum, steckte Lukes Geheimnis ins Notenfach und ging zu der Kirche. Mom fuhr bereits vom Parkplatz, als ich das massive Eichenportal hinter mir zufallen ließ.
Der Vorraum der Kirche war düster und weitläufig und mit dickem rotem Teppich ausgelegt. Außerdem hing dieser Geruch in der Luft, den es nur in alten Kirchen gibt – nach vielen Menschen, vielen Kerzen und vielen Tränen. Es standen schon ein paar Leute herum, die Einzelheiten der Blumenarrangements, des Ablaufs und der Musik besprachen. Urplötzlich fiel meinem Magen ein, wie es ihm jetzt gehen sollte.
»Du musst unsere Harfenistin sein.« Eine blonde Frau mit festbetonierter Frisur erschien an meiner Seite wie ein Spring-teufel mit Dauerlächeln in einer penetranten Parfümwolke. »Ich bin Maryann, die Hochzeitsplanerin.«
Ich nickte stumm. Wenn ich den Mund aufmachte, würde ich
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