LaNague 04 - Detektiv im Cyberland
diese Bereiche abhaken kann«, sagte Doc.
»Müssen Drogen gewesen sein.«
Ich sah ihn an. »Warum dieses ›müssen‹?«
Er funkelte mich an, dann drehte er sich um und ging hinaus.
»B.B. ist ein Streunername«, stellte Elmero fest.
»Tatsächlich?« Das hatte ich nicht gewußt.
»Sogar ein weit verbreiteter. Der zweithäufigste lautet B.G.«
»Das ist alles sehr interessant«, sagte Doc, »aber was ich gerne wüßte, ist, warum zwei sehr kleine Streuner sich in einer der mittleren Etagen des Boedekker-North-Gebäudes aufgehalten haben?«
»Ich wette, die ganze Sache ist faul«, sagte Elmero mit einem säuerlichen Grinsen. »Sehr, sehr faul.«
Die Angelegenheit wurde interessant. Sogar irgendwie spannend. Aber es wurde Zeit, die Konten auszugleichen: Elmero strich Docs aufgelaufenen Betrag, dann zog er ihn plus seine Einklinkgage von dem dicken Guthaben ab, das ich bei ihm dank des Goldes hatte, das er für mich nach dem Job mit dem Cyberland-Girl umgewandelt hatte.
Dann rannte ich hinaus und suchte B.B. Ich fand ihn, wie er jemandem zuschaute, der das neue Zap-Spiel versuchte. Die Procyon Patrouille war nun out. Bug Wars war die neueste Mode. Ich ergriff seinen Arm und zog ihn mit nach draußen, wo wir mitten in Elmero’s jüngster Holo-Hülle standen – einem klassischen Pariser Straßencafe. Sehr hübsch, aber man sollte lieber nicht versuchen, auf einem der Stühle Platz zu nehmen.
»Wir müssen miteinander reden, Bengel. Du erzählst mir nicht alles, was du mir eigentlich erzählen solltest.«
»Nich’ wahr, San …« begann er, dann hielt er inne. »Das nicht wahr.«
Verstummte und sah mir direkt in die Augen.
»Warum warst du so sicher, daß Drogen eine Rolle spielten? Die Wahrheit, bitte, oder ich verschwinde.«
Er wandte den Blick ab und holte tief Luft. Dann redete er schleppend weiter.
»Bettelkids wem g’klaut.«
»Geklaut?« Das hörte ich zum erstenmal. »Von wem?«
»Weiß nich’.«
»Wie viele?«
»’ne Menge.«
»Warum?«
»Weiß nich’.«
Fast war ich froh, daß er nicht wußte, warum. War mir nicht so sicher, ob ich tatsächlich die genauen Gründe erfahren wollte, warum jemand kleine Streunerbettler entführte. Wegen Lösegeld ganz sicher nicht. Aber jetzt wußte ich, warum gestern in der Battery gleich sechs Beschützer für das kleine blonde Bettlergirl aufgetaucht waren.
»Sind auch die beiden Toten entführt worden?«
Er nickte.
»Hat es außer den beiden vom Boedekker North noch weitere Tote gegeben?«
Er schüttelte den Kopf. »Nur die zwei. Andere kam’ zurück.«
»Du meinst, sie wurden entführt und dann wieder zu euch zurückgebracht?«
»Ausgesetzt wo geklaut.«
Das Ganze ergab für mich immer weniger Sinn.
»Unversehrt?«
B.B. schüttelte heftig den Kopf. »Nee! Nich’ genauso. Dumpf, doof, kaputt.«
Jetzt verstand ich. Wer immer die kleinen Streuner mitnahm, brachte sie beschädigt zurück. Deshalb war B.B. auch so sicher gewesen, wir würden in den Autopsieberichten Hinweise auf Drogen finden.
»Du meinst also, sie wurden irgendwie betäubt und – was dann?«
Er zuckte die Achseln. »Weiß nich’.«
»Keine Spuren von … Mißbrauch?«
Ich dachte an meine eigene Tochter. Wahrscheinlich zum erstenmal, seit Maggs sie mitgenommen hatte, war ich froh, daß Lynnie nun auf den Außenwelten lebte.
»Nix«, antwortete er und schüttelte den Kopf. »Wendy hat nachgeschaut. Sagt, Körper okay, aber Köpfe kaputt.«
»Wer ist diese Wendy? Ist sie eine Ärztin oder so was?«
B.B. wurde plötzlich nervös. »Egal, Kinder wieder gut. Aber langsam. Wochen.«
Sie kamen wie benebelt und völlig verdummt wieder zurück, erholten sich aber im Laufe der Zeit. Das klang für mich wie eine Droge. Die Sache wurde immer seltsamer. Kleine Streuner wurden entführt und zurückgebracht, körperlich in Ordnung, aber von irgend etwas benebelt. Zu welchem Zweck? Vielleicht wurden sie nur betäubt, um nackt zu posieren? Oder sie wurden bewußt unter eine höhere Dosis gesetzt, damit sie nachher nicht reden konnten. Aber warum dann diese umfangreichen Vorsichtsmaßnahmen? Streuner waren nicht legal existent. Sie konnten weder irgend jemand verklagen noch als Zeugen gegen jemand auftreten. Warum also verwirrte man ihnen den Geist, bevor man sie zurückbrachte?
Warum brachte man sie überhaupt zurück?
»Wie lange wurden denn die beiden toten Kinder vermißt?«
Er überlegte einen Moment, dann meinte er: »Älter’ drei, jünger’ vier.«
Drei bis vier Tage
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