Land aus Glas
aufgerissenen Augen. Juns Hand glitt langsam zu seinem Gesicht hinauf, streifte sanft seine Lippen und verharrte dort einen Augenblick in der winzigsten Zärtlichkeit der Welt. Dann beugte sie sich plötzlich vor, fischte den Seiflappen wieder aus dem Wasser und drückte ihn Mormy in die Hand. Jun kam mit ihrem Gesicht dicht an Mormys heran.
»Nimm ihn selbst, ja? In Zukunft ist es besser, wenn du ihn selbst benutzt.«
Jun stand auf und ging zur Tür. In diesem Augenblick sagte Mormy eines der dreißig Wörter dieses Jahres.
»Nein.«
Jun drehte sich um. Sie sah ihm fest in die Augen.
»Doch.«
Dann ging sie hinaus.
Pekischs Orchester probte immer dienstags abends. Das Humanophon probte freitags. Dienstags probte das Orchester. Einfach so.
Da Rol Fergusson gestorben war, sollte das Kaufhaus Fergusson und Söhne von nun an Kaufhaus Gebrüder Fergusson heißen. »Was war denn das für ein Elephantenschrei, Sal?«
»Das war ein c, Pekisch.«
»Ach, ein c war das?«
»So was in der Art.«
»Das ist eine Trompete, Sal, kein Elephant.«
»Was ist ein Elephant?«
»Das erkläre ich dir später, Gasse.«
»He, habt ihr gehört? Gasse weiß nicht mal, was ein Elephant ist!«
»Ruhe, bitte!«
»Das ist ein Baum, Gasse, ein Baum, der in Afrika wächst.«
»Das kann ich doch nicht wissen! Ich bin noch nie in Afrika gewesen …«
»Wollen wir Musik machen oder über die afrikanische Flora und Fauna diskutieren?«
»Warte mal, Pekisch, andauernd verklemmt sich diese verdammte Taste bei mir!«
»He! Welcher Schweinehund hat mein Glas geklaut …«
»Hör mal, könntest du mit dieser Riesentrommel vielleicht ein bißchen weiter nach hinten rücken? Sie dröhnt mir so im Kopf, daß ich überhaupt keine klaren Bilder mehr sehe!«
»… ich habe es hier abgestellt, das weiß ich ganz genau, ihr könnt mich nicht verschaukeln …«
»Ruhe! Wir fangen noch mal bei Takt zweiundzwanzig an …«
»… tja, ihr müßt wissen, daß ich da reingepinkelt habe, in dieses Glas, versteht ihr? Ich habe da reingepinkelt …«
»VERDAMMT NOCH MAL, KÖNNEN WIR ENDLICH MIT DIESEM GANZEN BLÖDSINN AUFHÖREN?«
Da es Dienstag war, probte das Orchester. Das Humanophon probte freitags. Dienstags das Orchester. Einfach so. Ein Arzt kam und sagte: »Er hat ein kaputtes Herz. Er kann noch eine Stunde leben oder ein Jahr, niemand kann das wissen.«
Er konnte in einer Stunde sterben oder in einem Jahr, der alte Andersson, und er wußte es.
Pehnt begann sich zu kämmen, und die Witwe Abegg schloß mit wissenschaftlicher Präzision daraus, daß er sich in Britt Ruwett verliebt hatte, die Tochter von Pastor Ruwett und dessen Frau Isadora. Es war klar, daß ein kleiner Vortrag fällig war. Sie nahm Pehnt beiseite, schlug ihren irgendwie militärischen Ton für wichtige Ereignisse an und erzählte ihm von den Männern, den Frauen, den Kindern und so weiter. Sie brauchte nicht mehr als fünf Minuten.
»Noch Fragen?«
»Das ist unglaublich.«
»Es ist unglaublich, aber es funktioniert.«
Er hatte sich verliebt. Pehnt.
Pekisch schenkte ihm einen Kamm.
Wie seltsam das Leben doch manchmal spielt. Mr. Rol Fergusson vom Kaufhaus Fergusson und Söhne, dem jetzigen Kaufhaus Gebrüder Fergusson, hat ein Testament hinterlassen, in dem er alles einer gewissen Betty Pun vererbt, einer unverheirateten jungen Dame aus Prinquik. Jetzt heißt das Kaufhaus Kaufhaus Betty Pun.
Jun öffnet einen Schrank und nimmt ein Päckchen heraus. Es ist ein Buch darin, in einer feinen Handschrift geschrieben, blaue Tinte. Sie liest es nicht, öffnet es kaum, packt das Päckchen wieder zusammen, legt es in den Schrank und kehrt ins Leben zurück.
Ein Bett, vier Hemden, ein grauer Hut, die Schuhe mit den Schnürsenkeln, das Bild einer brünetten Frau, ein in Schwarz gebundener Bibelauszug, ein Umschlag mit drei Briefen darin, ein Messer in einer Lederhülle.
Mehr besaß er nicht. Katek. Als sie ihn erhängt in seinem Zimmer fanden, splitterfasernackt. Da drängt sich natürlich die Frage auf: Wieso vier? Was machte einer wie er mit vier Hemden?
Er schaukelte noch, als sie ihn fanden.
Sehr geehrter Herr Ingenieur Bonetti,
Wie Sie gewiß festgestellt haben, war es mir nicht möglich, Ihnen den Vorschuß zukommen zu lassen, den Sie nicht zu Unrecht als unerläßlich erachten, um Ihre Männer herschicken zu können, die mit dem Bau meiner Eisenbahnstrecke beginnen sollen.
Leider haben die jüngsten von der neuen Regierung
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