Land der guten Hoffnung
Schauspielerei war oder echte Betroffenheit. Es war mir inzwischen auch ziemlich egal. Ich traute ihr nicht. Sie hatte Tim benutzt, und nun versuchte sie es bei mir - aber ich hatte vor, dabei am Leben zu bleiben.
Rena beließ es bei einigen Tränen. Sie wischte sich die Wangen trocken und setzte sich zu mir auf das Sofa. Sie rückte mir ganz nah auf die Pelle. Die Frau war bereit, alles zu tun, um zu diesem Mann zu kommen, von dem wir beide nicht einmal wussten, wie sein Gesicht aussah. Wir hatten allenfalls eine Ahnung davon, wenn wir uns seine Tochter ansahen. Fest stand: Er war ein Weißer - und ich hatte ihn bislang nicht gefunden. Mein Job war also noch nicht erledigt. Das wurmte mich persönlich, wenn auch aus rein professionellen Gründen. Aber für Rena Carsten war ich aus genau diesem Grund die Reinkarnation von Timothy Butler, dem Wegweiser.
Ich war ihre letzte Hoffnung.
Sie legte die Arme um meinen Hals und küsste mich sanft auf die Wange. „Stell dir vor, du hättest nur die Spur einer Chance gehabt, deinen Vater zu Lebzeiten zu finden. Hättest du nicht auch alles dafür getan?“
Sie war ein Miststück. Und doch konnte ich mich ihrer Wirkung auf mich nicht entziehen. Sie roch verdammt gut, und es war mit Sicherheit nicht mein Gehirn, das verstärkt durchblutet wurde. Vielleicht hatten wir auch nur zu viel getrunken.
„Sie haben also einen Vaterkomplex, Rena? Ist es das? Dieser Mann hat es Ihnen besorgt, und Sie suchen ihn aufopferungsvoll, um der kleinen Conny den Papa zurückzubringen und dem Opa der Kleinen ganz nebenbei eins auszuwischen.“
So einfach ließ sie sich nicht mehr provozieren. Sie hielt den Mund und legte Hand an mich. Sie mochte betrunken sein, aber sie verfolgte ihr Ziel beharrlich. Ich wollte aufstehen, aber ich kam nicht von ihr los.
„Helm.“, beschwor sie mich. „Ich habe nie sein Gesicht gesehen. Würde ich ihn nur ein einziges Mal ohne Maskierung sehen, könnte ich ihn vielleicht vergessen, und damit alles, was geschehen ist, ein für alle Mal loszuwerden - es einfach auslöschen.“
Für meinen Geschmack ging Rena Carsten etwas zu beliebig mit den Motiven für ihre besessene Suche um. Und mich hatte sie wohl inzwischen für die Übergangsphase als Platzhalter auserkoren. Ich hätte sie wegstoßen und hinausgehen können.
Sie hockte sich rittlings auf mich und knöpfte mir das Hemd auf.
Um zur Besinnung zu kommen, versuchte ich es mit verstärkter Kopfarbeit. Ich musste mich auf meine ungelöste Aufgabe konzentrieren. „Waren die anderen Mitglieder der Bande auch alle Schwarze wie Tim?“
Rena warf den Kopf in den Nacken und starrte einen Moment lang die Decke an, als denke sie, im Kampf gegen den wabernden Alkoholnebel, angestrengt nach. Dann sah sie mit glasigen Augen auf mich herab.
„Ja! Ich habe natürlich nur ein bisschen Haut gesehen, weil sie neben diesen Strickmasken auch Handschuhe trugen, aber ein Handgelenk hier.“
Sie beugte sich nach unten und leckte meinen Puls.
„Und ein Stückchen Hals da....“
Ihre Zungenspitze glitt über meine Gurgel.
„....waren genug, um mir ganz sicher zu sein.“
„In welcher Sprache haben sie sich unterhalten?“
„In Englisch und Afrikaans.“
Sie küsste mich. Behutsam schob ich sie etwas von mir weg.
„Ist er Bure?“
Sie drückte das Kreuz durch und versuchte ihre Bluse auszuziehen.
„Ich vermute es.“
Rena Carsten kam nicht mehr richtig mit ihren Knöpfen zurecht, und dass sie bereits deutlich lallte, gab mir Hoffnung, doch noch die Oberhand über meinen Trieb zu behalten.
Kapitel 17
Als ich aufwachte lag Rena mit nur halb aufgeknöpfter Bluse auf dem Sofa und schnarchte leise.
Mein Kopf war zentnerschwer. Nur mühsam erinnerte ich mich. Irgendwann war Rena vor Müdigkeit und Suff weggesackt, und auch mich hatte kurz darauf der Schlaf übermannt und dem ganzen Spuk ein Ende gemacht.
Einige Minuten lang blieb ich noch bewegungslos liegen und versuchte, trotz bohrender Kopfschmerzen, einen klaren Gedanken zu fassen. Ein Blick auf die Uhr zeigte mir, dass es gegen vier Uhr am Morgen war. Vorsichtig rappelte ich mich auf und schlich ins Schlafzimmer.
Die Aktenmappe aus Straußenleder, der Rena das Foto ihrer Tochter entnommen hatte, lag aufgeklappt auf dem Bett. Ich lauschte noch einmal konzentriert, um mich von Renas ungebrochenem Schnarchen zu überzeugen, und durchsuchte den Inhalt der Mappe.
Weitere Fotografien zeigten Conny mit ihrer Mutter. Auf einem der Bilder flankierten die beiden
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