Land der Mythen 01 - Unter dem Erlmond
Wildfänger merkte, wie sein Magen rebellieren wollte, und kroch ebenfalls rasch zurück. Bei den nahen Felsen traf er auf seine Gefährten, die nicht weniger entsetzt waren als er selbst.
»Meine Freunde«, sagte Yvolar tonlos und schien dabei Mühe zu haben, sich auf den Beinen zu halten, »die Lage ist ernster, als ich dachte. Die Invasion hat bereits begonnen, und allem Anschein nach hat man dem Feind bereitwillig Tür und Tor geöff…«
Er unterbrach sich, als er bemerkte, dass Leffel und Alphart im Halbdunkel nicht auf ihn blickten, sondern auf etwas, das sich hinter ihm befand – und sich in diesem Moment zu seiner vollen Größe aufrichtete!
Im selben Moment hörte der Druide wütendes Schnauben, und bestialischer Gestank, der ihm fast die Besinnung raubte, umfing ihn mit einem Mal. Da wusste er, was sich hinter ihm erhoben hatte – eine Kreatur, die mindestens ebenso lange nicht mehr in den Bergen Allagáins gesichtet worden war wie die Erle…
Der Druide fuhr herum und sah den Unhold, der ihn an Körpergröße gut um das Doppelte überragte. Auf Beinen, dick wie Bierfässer, erhob sich vor ihm eine mehr breite als hohe Gestalt mit langen Armen und einem klobigen Schädel, der direkt zwischen den breiten Schultern saß.
Ein Bergtroll!
Das Einzige, was der Koloss am Leib trug, waren zwei mit eisernen Stacheln versehene Ledergurte, die jeweils schräg über seinen Schultern verliefen und sich auf Brust und Rücken kreuzten. Ansonsten bedeckte schwarzes Fell, das in schmutzigen Zotteln herabhing, den Körper des Trolls, mit Ausnahme seines Gesichts, das die Farbe und das Aussehen von Felsgestein hatte. Kleine, schmale Augen glitzerten darin, und ein zahnloses Maul klaffte auf. Durch die flache Nase war ein großer eiserner Reif gezogen, an dem zwei rostige Ketten hingen. Deren Enden hielten die schweinsköpfigen Wärter des Trolls.
Die Erle waren mindestens ebenso überrascht, in dieser Gegend und zu dieser Zeit auf Feinde zu treffen wie Yvolar und seine Gefährten. Einen langen Augenblick lang geschah nichts, standen sie einander nur gegenüber – dann ging alles blitzschnell!
Etwas flirrte durch die Luft, und einer der Erle sank mit durchbohrter Kehle zu Boden. Hilflos tasteten seine Klauen nach dem Pfeil, der in seinem Hals steckte. Der Schrei, den er ausstoßen wollte, ging in einem heiseren Gurgeln unter.
»Lauf, Druide!«, zischte Alphart, während er bereits den nächsten Pfeil an die Sehne legte – aber Yvolar dachte nicht daran, die Flucht zu ergreifen.
Er riss den Druidenstab hoch und sprach eine magische Formel, woraufhin das Holz ein Eigenleben zu entwickeln schien. Blitzschnell wirbelte der Stab durch die Luft und fuhr herab, traf den zweiten Erl am Kopf, und von rätselhafter Kraft erfüllt, zerschmetterte der Druidenstab nicht nur den Helm des Feindes, sondern auch seinen Schädel. Blutüberströmt kippte der Erl hintenüber und fiel in den Schnee, der sich unter ihm dunkel färbte.
Einige Herzschläge lang stand der Troll unbewegt. Ratlos starrte er zuerst auf den einen, dann auf den anderen seiner Wärter, die beide tot zu seinen Füßen lagen – dann schien er für sich zu beschließen, ihren Tod zu rächen.
Die Pranken an den langen Armen zu mörderischen Fäusten geballt, sprang er vor, um Yvolar mit einem einzigen Schlag zu zerschmettern – aber schon war Alphart zur Stelle und ließ den nächsten Pfeil von der Sehne.
Das Geschoss bohrte sich in die Brust des Trolls, wo es zwar stecken blieb, dem Koloss aber nicht mehr als ein wütendes Knurren entlockte. Unbeirrt ging seine Pranke nieder, um Yvolar in den Erdboden zu rammen.
Da geschah das Unfassbare: In letzter Sekunde blockte der Druide den Schlag mit dem Stab, den er mit beiden Händen quer über seinen Kopf hielt. Weder ging der alte Mann dabei in die Knie, noch zerbrach der Stab in seinen Händen, wie es eigentlich hätte geschehen müssen. Dafür entfuhr dem magischen Holz eine blitzartige Entladung, die den Troll einhüllte. Der Unhold knurrte erneut, und der beißende Geruch von versengtem Fell lag in der eisigen Luft.
Dann aber schlug er nochmals zu, diesmal mit der flachen Hand, und fegte den Druiden von den Beinen.
Als Yvolar zu Boden geschleudert wurde, schickte Alphart einen weiteren Pfeil auf Reisen. Er hatte auf das rechte Auge des Trolls gezielt, doch da sich der Unhold bewegte, verfehlte es Alphart – der Pfeil traf stattdessen die Nasenwurzel des Unholds, an der er wirkungslos abprallte.
Weißen
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