Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Bannhart und er damals auf ein leeres Fass gezielt hatten, und das auch nur zum Zeitvertreib. Die Axt auf ein lebendes, atmendes Wesen zu werfen war etwas anderes, aber die Waffe ging dennoch nicht fehl. Sie überschlug sich einmal, dann grub sich das Blatt mit entsetzlicher Wucht in den Rücken des flüchtenden Unholds.
Mit einem Aufschrei kam der Erl zu Fall und landete auf dem gefrorenen Boden, über den sich sein dunkles Blut ausbreitete.
Während Alphart sich damit begnügte, in grimmiger Genugtuung zu nicken, schien Erwyn noch nicht genug zu haben. Mit einem weiteren wilden Kampfschrei stürmte er vor, das Kurzschwert erhoben, und rammte es in den Rücken des sterbenden Erls.
Noch einmal.
Und noch einmal.
Als er erneut zustoßen wollte, hielt ihn Alpharts kräftige Linke zurück. »Lass gut sein, Junge«, brummte er. »Der hat genug.«
»Ich will aber nicht, dass er genug hat! Ich will ihn töten, verstehst du? Ich will sie alle töten…!«
Erwyn versuchte sich loszureißen, aber Alphart hielt ihn unnachgiebig fest. Der zornige Blick, den ihm der Junge daraufhin schickte, ließ den Jäger erschaudern. Nie zuvor hatte er solchen Hass in den Augen eines so jungen Menschen gesehen.
»Du willst kämpfen?«, fragte er rau. »Dann nur zu, lass dich von mir nicht aufhalten. Aber statt auf einen Kadaver einzustechen, bis noch mehr Erle kommen, solltest du deinen Verstand gebrauchen. Wir müssen von hier verschwinden, hast du verstanden?«
Es dauerte einen Moment, bis die Bedeutung von Alpharts Worten in Erwyns aufgebrachtes Bewusstsein sickerte. Dann jedoch schien sich der Junge ein wenig zu beruhigen, und auch das Lodern in seinem Blick ließ nach. »Gut«, sagte er, wenn auch widerstrebend. »Du hast recht.«
»Dann komm, Junge.« Der Jäger zog ihn mit sich, den von schimmernden Säulen gesäumten Stollen entlang und über weitere steile Treppen hinauf in Richtung Oberfläche.
Das Gemetzel, das sie unter den Erlwachen angerichtet hatten, blieb nicht lange unbemerkt. Ein durchdringender Schrei, der sich anhörte, als würde eine zur Schlachtreife gemästete Sau abgestochen, hallte durch die vereisten Korridore. Trampelnde, stampfende Schritte von Dutzenden Kreaturen folgten, die sich an die Fersen der beiden Flüchtlinge hefteten.
»Kannst du noch?«, fragte Alphart, während sie im Laufschritt durch die Gänge hetzten – er selbst spürte bleierne Müdigkeit in seinen Gliedern, und seine Knochen schmerzten von der klirrenden Kälte. Erwyn nickte nur; weder kam ein Laut der Klage über seine blau angelaufenen Lippen, noch schien er sich mehr zu fürchten. Eine Veränderung war mit dem Jungen vorgegangen, das konnte Alphart deutlich erkennen. Jener Erwyn, den er aus Urgulroths Kerker befreit hatte, war nicht mehr der, den die Trolle dorthin entführt hatten…
Sie gelangten in eine Höhle, in die mehrere Seitengänge mündeten. Der Wildfänger glaubte sich zu erinnern, dass sie den zweiten Stollen auf der linken Seite nehmen mussten, um zurück zum Wachlokal und von dort zur Oberfläche zu gelangen. Kaum hatten sie sich jedoch in die entsprechende Richtung gewandt, als ihnen aus ebendiesem Stollen eine Horde Erle entgegenstürzte. Offenbar waren die Wachen durch das Geschrei ihrer Kumpane alarmiert worden…
»Halt!«, schrie einer von ihnen, ein besonders großes und hässliches Exemplar, das offenbar eines seiner spitzen Ohren bei einem Streit mit einem Artgenossen eingebüßt hatte. Ein Wort der Menschensprache aus der Kehle eines Unholds zu hören war doppelt entsetzlich, sodass Alphart und Erwyn wie angewurzelt stehen blieben.
»Bockmist!«, wetterte Alphart herzhaft.
»Was jetzt?«, fragte Erwyn, die Erle taxierend, die nacheinander aus dem Stollen traten, mit blanken Waffen und böswilligem Grinsen in den Fratzen.
»Dämliche Frage – zurück!«, entgegnete der Jäger und wandte sich um – nur um zu sehen, dass ihnen der Fluchtweg versperrt war. Ihre Verfolger hatten sie eingeholt.
Zwanzig, dreißig blutrünstige Unholde warteten nur darauf, sie zu zerfleischen…
»Schön, Junge«, sagte Alphart gefasst, als er erkennen musste, dass ihnen jede Möglichkeit zur Flucht genommen war. »Du wolltest kämpfen? Nun ist es so weit!«
Erwyn schwieg, aber ein flüchtiger Blick in Richtung seines Schützlings zeigte Alphart, dass das alte Lodern in Erwyns Augen zurückgekehrt war. Was auch immer den Jungen beseelte, es schien stärker zu sein als alle Furcht und alles Grauen. Selbst
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