Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
Nichte und Prinzessin von Iónador…
Entsetzt schauten sich die Menschen um, sahen die Spuren des dramatischen Kampfes, der sich zugetragen hatte. Sie fanden den Leichnam Barands, dessen Edelmut ihm zum Verhängnis geworden war, und die Überreste Klaigons des Verräters. Der Torso des Eisriesen war natürlich nicht zu übersehen, auch wenn er bereits dabei war zu verfallen, da sein frevlerischer Geist aus ihm gewichen war.
»Fyrhack!«, rief Galfyn entsetzt. Er und Rionna eilten zu ihm, ehrliche Besorgnis in den bleichen Gesichtern, und obwohl Fyrhack es niemals für möglich gehalten hätte, empfand er in diesem Augenblick tief in seinem Inneren etwas wie Freundschaft für die Menschen – und Mitleid…
»Was ist geschehen?«, fragte Galfyn, der neben Fyrhacks Haupt auf die Knie fiel.
»Der Eisriese… ist tot«, brachte der Drache mit Mühe hervor. »Was ist… mit den Erlen…?«
»Die Unholde befinden sich auf der Flucht«, antwortete Galfyn. »Es war genau, wie du es vorausgesehen hast: Ohne Haupt wollten die Glieder nicht mehr kämpfen.«
»Das… ist gut.« Der Drache nickte und schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch eine Welle von Schmerz durchlief seinen zuckenden Körper und spülte die Worte hinweg.
»Der Sieg ist unser«, versicherte der Häuptling, doch konnte er trotz des Triumphs seine Trauer nicht verbergen.
»Aber die Opfer, die dafür gebracht werden mussten, waren zu groß.«
Fyrhack, dessen Blick bereits durch Galfyn hindurchzugehen schien, nahm alle ihm verbliebene Kraft zusammen und brachte mühsam hervor: »Im Augenblick… mögt ihr triumphieren… aber euer Sieg wird nicht… von langer Dauer sein…«
»Was sagst du?«, fragte Galfyn erschrocken.
»Muortis… wird erfahren, was hier geschehen ist… Er wird… den Tod seines treusten Dieners nicht ungerächt lassen… Solange die Macht des Eises nicht gebrochen… immer neue Horden von Unholden… könnt ihnen nicht… ewig widerstehen…«
»Was genau willst du damit sagen?«, fragte Galfyn betroffen. »Was soll das heißen?«
»Das Ende der Menschen«, hauchte Fyrhack mit letzter Kraft, »ist gekommen… ebenso wie das meine…«
Mit diesen Worten schloss er die Augen und tat seinen letzten Atemzug. Noch einmal durchlief ein Zucken seinen ungeheuren Körper, und der zackenbewehrte Schwanz schlug auf den Boden wie eine Peitsche – dann lag er still und leblos.
Fyrhack, der letzte Feuerdrache, war tot.
Betroffen kauerte Galfyn neben ihm.
So viele Opfer hatte die Schlacht gefordert, so viele treffliche Krieger waren gefallen, dass der junge Heerführer nicht in der Lage war, Tränen zu vergießen oder Trauer zu empfinden für einen Einzelnen. In seinem Inneren herrschte stattdessen eine Leere, die so vollkommen war, dass es ihm Angst machte…
»Galfyn! Sieh!«
Der Ruf eines seiner Krieger riss ihn aus seinen Gedanken. Alarmiert sprang Galfyn auf und eilte an ein Fenster, das in die Felswand des Turms geschlagen war. Rionna, die bei Barands Leichnam gekauert und Tränen ehrlicher Trauer vergossen hatte, kam mit ihm.
Was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren.
Denn über die Hügel, die im Westen an die gefrorene Fläche des Spiegelsees heranreichten, wälzte sich ein Heer feindlicher Krieger – Erle und Trolle in solchen Massen, dass sie die schneebedeckten Hügel schwarz färbten.
Nicht Tausende, sondern Zehntausende mussten es sein, und innerhalb einer Stunde würden sie Iónador erreicht haben.
Diejenigen von Galfyns Kriegern, die sich noch außerhalb der Stadt aufhielten und auf dem nördlichen Höhenzug Stellung bezogen hatten, befanden sich bereits auf der Flucht. Hals über Kopf hielt ihr Tross auf die Brücke zu, um hinter Iónadors Mauern Zuflucht zu suchen – doch wie viel Schutz diese Mauern bieten würden, wenn Massen von Unholden gegen sie anrannten, war Galfyns Meinung nach äußerst fraglich.
Feuer loderten auf den Hügelkuppen, die von den Katapulten und Pfeilschleudern herrührten, die die Menschen lieber zerstörten, als sie dem Feind zu überlassen. Dennoch war sich Galfyn sicher, dass die schiere Masse der Erle und Trolle, die jedes Heer, das jemals in Allagáin oder im Dunkelwald gesichtet worden war, an Stärke weit übertraf, die Goldene Stadt in die Knie zwingen würde, und jeder, der sich innerhalb der Mauern befand, würde einen grausamen Tod finden…
»Bei Fynrads Flamme!«, entfuhr es Galfyn halblaut, als ihm bewusst wurde, dass es in seiner Verantwortung lag,
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