Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
die Stadt so gut und so lange wie möglich zu verteidigen. Wie gern hätte er seinen Falkenbruder zur Seite gehabt, wie wichtig wären dessen Kenntnisse gewesen.
Da hörte er Rionna neben sich mit fester Stimme sagen: »Wir werden kämpfen. Wir werden alles tun, um die Stadt zu verteidigen.«
»Was auch immer wir unternehmen – wir werden verlieren«, prophezeite Galfyn. »Niemand kann einer solchen Übermacht auf Dauer widerstehen.«
»Dann eben so lange wie möglich«, erwiderte sie, und ihre Entschlossenheit beeindruckte ihn tief. »Ich habe einmal miterleben müssen, wie die Tore dieser Stadt dem Feind ohne Widerstand geöffnet wurden. Kein zweites Mal wird dies geschehen.«
64
Es war, als würde ein Teil von ihm selbst sterben.
Sogar tief unter der Erde, im ewigen Eis von Urgulroth, konnte Yvolar der Druide den Verlust spüren, den die sterbliche Welt erlitt. Fyrhack der Drache starb. Seine Existenz in der Welt war erloschen, sein Geist kehrte in die Anderswelt zurück.
Yvolar bedauerte nicht nur den Tod eines mächtigen Verbündeten, sondern auch eines guten alten Freundes. Aber weder war dies der geeignete Zeitpunkt noch der rechte Ort für Trauer. Nicht nur Fyrhack, auch er selbst war viel zu weit gegangen, als dass es noch ein Zurück gegeben hätte. Ein jeder von ihnen musste dem Pfad zu Ende folgen, den er beschritten hatte…
Muortis’ Klinge fiel herab, schwer und tödlich wie das Beil des Henkers – da handelte Yvolar.
Eben noch hatte der Druide lethargisch auf dem Boden gekauert und, wie es den Anschein hatte, nur darauf gewartet, dass der Nebelherr seiner Existenz ein Ende setzte. Aber Yvolar war noch nicht so weit, hatte noch nicht aufgegeben. Jäh riss er den Druidenstab empor und wehrte damit die Dunkelklinge ab, sodass abermals Funken in der Finsternis sprühten.
Yvolar sah Muortis’ Fratze über sich, die grauenvoll aus der Höhlung der Kapuze starrte, dann ließ sich der Druide zur Seite fallen und rollte sich ab, ungeachtet des Schmerzes in seiner verwundeten Schulter. Den rechten Arm konnte er kaum noch bewegen, Eiseskälte schien ihn aufzufressen; dennoch war Yvolar entschlossen, sich bis zum letzten Atemzug zur Wehr zu setzen. So wie ein gewisser Jäger es an seiner Stelle getan hätte…
Den Druidenstab in einem weiten Halbkreis führend, versuchte er Muortis zu treffen, aber dieser hatte sich längst außer Reichweite gebracht. Als die Klinge des Nebelherrn ihn erneut aus dem Schutz der Dunkelheit attackierte, war das Schwert mit derartiger Wucht geführt, dass er es nicht mehr abzuwehren vermochte, und zum zweiten Mal innerhalb weniger Augenblicke trug der Druide eine schwere Wunde davon, diesmal an der Brust.
Betroffen blickte Yvolar an sich herab. Sehen konnte er nichts, aber er spürte das Blut, das aus der Wunde pulste, und er fühlte den Schmerz, kalt und erbarmungslos.
Dennoch gab er nicht auf.
Einer jähen Ahnung gehorchend, duckte er sich, und die Hexenklinge rauschte über ihn hinweg. Aber noch ehe er sein Gewicht auf das andere Bein verlagern und zu einer Gegenattacke ansetzen konnte, griff Muortis wieder an. In atemberaubend schneller Folge, so rasch, dass keines Menschen Auge seinen Bewegungen zu folgen vermocht hätte, ließ der Nebelherr seine Klinge auf den Druiden niedergehen, der die Hiebe zwar abwehrte, jedoch von der Wucht der Schläge erneut auf die Knie gezwungen wurde.
Blutend und frierend, umgeben von undurchdringlicher Dunkelheit, kauerte er auf dem Boden, während sich Muortis erneut vor ihm aufbaute. Die Frevlerklinge, die nach dem Blut des Druiden lechzte, hielt der Nebelherr in der Hand seines ausgestreckten Arms gegen seinen Widersacher gerichtet – und Yvolar begriff in diesem Moment, dass er nicht die geringste Aussicht hatte, diesen Kampf noch zu seinen Gunsten zu entscheiden. Seine Kräfte waren erlahmt, der Schmerz an Schulter und Brust wurde unerträglich.
Er hatte versagt.
In mancherlei Hinsicht…
»So weit hätte es nicht kommen müssen«, sagte Muortis, dessen Umrisse in der Dunkelheit allenfalls zu erahnen waren. »Du hättest dich mit mir verbünden sollen. Aber genau wie alle anderen hast du meine in Freundschaft dargebotene Hand verschmäht, damals wie heute.«
»Muortis«, sagte Yvolar zwischen keuchenden Atemzügen. Es fiel ihm schwer, verständlich zu sprechen. »Du weißt nicht, was Freundschaft ist, also kannst du sie mir auch nicht anbieten. Du hast alles verraten und dich von uns losgesagt. Die
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