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Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen

Titel: Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Katapultmannschaften und Bogenschützen sowie der Versorgungstross des Heeres, die sich noch auf der anderen Seite des Sees aufgehalten hatten, waren inzwischen sämtlich in Iónador eingetroffen. In aller Eile hatte man den Brand im Torhaus gelöscht und die demolierte Pforte mit Trümmern aus den Häusern verbarrikadiert. Ob diese Barrikaden den Angriffen der Erle lange standhalten würden, bezweifelte Galfyn allerdings.
    Er selbst verfügte über Mut und Unerschrockenheit und war der geborene Anführer – aber er hatte keine Ahnung, wie man eine Festung verteidigte. Wie auch? Im Dunkelwald gab es keine gemauerten Häuser oder Burgen. In der gebotenen Kürze hatte sich Galfyn mit Meinrad und anderen Rittern des Reiches beraten, und gemeinsam hatten sie die beste Verteidigung aufgeboten, die sich auf die Schnelle hatte organisieren lassen.
    Die Strategie des Feindes war dabei einfach vorherzusehen. Die Unholde würden gegen die Mauern anrennen, wieder und wieder und wieder, ohne Rücksicht auf Verluste. Wie viele von ihnen dabei auch ihr Leben lassen würden, irgendwann würde es ihnen gelingen, die Mauern zu erstürmen – die Masse war ihre wirkungsvollste Waffe.
    Im Norden und Westen hatten die Erle inzwischen den Spiegelsee erreicht. Anders als die Menschen mussten die Diener Muortis’, der der Herr der Nebel und des Eises war, nicht fürchten, dass die gefrorene Fläche unter ihren Füßen einbrach, also waren sie nicht auf die Brücke angewiesen und nahmen den direkten Weg über den See. Mit Bestürzung sah Galfyn, dass sie behelfsmäßige Leitern mit sich trugen – die Stämme eilig gefällter Bäume, in die man Tritte geschlagen hatte, um damit die Mauern zu erklimmen.
    »Bogenschützen!«, rief er und gab das Signal, woraufhin die auf den Wehrgängen postierten Schützen ihre Pfeile auf die Sehnen legten.
    Der Schlag der Trommeln wurde immer lauter, und je näher die Erle kamen, desto deutlicher waren ihre hässlichen Schweinsgesichter mit den vor Blutdurst lodernden Augen zu erkennen. Galfyn hörte, wie Rionna einen angewiderten Laut von sich gab und das Visier ihres Helmes schloss, um das Grauen in ihren Zügen zu verbergen.
    Der junge Heerführer atmete tief durch.
    Niemals hätte er vermutet, welch wundersame Wendungen sein Schicksal in so kurzer Zeit nehmen würde. Manches hatte sich geändert seit Herras’ Tod, viel war geschehen, das sein Leben und das, woran er geglaubt hatte, auf den Kopf gestellt hatte. In wenigen Augenblicken würde eine Schlacht beginnen, die zu überleben er keine Aussicht hatte. Eine Schlacht, in der er gemeinsam mit jenen focht, die er noch kurz zuvor als seine Todfeinde betrachtet hatte.
    Im selben Moment, da der bedrohliche Gesang der Erle in kreischendes Kriegsgeschrei umschlug, das über die gefrorene Fläche des Sees herüberscholl, begegneten sich Galfyns und Rionnas Blicke.
    Dann gellte Galfyns Befehl.
    Und die Pfeile schossen in den grauen Himmel…

 
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    Sie folgten dem unterirdischen Fluss stromaufwärts, über schmale, vereiste Pfade, und mehr als einmal glitt einer von ihnen aus und wäre in die eisigen Fluten gestürzt, hätte einer seiner Kameraden ihn nicht rechtzeitig festgehalten.
    Indem sie ihre letzten Kräfte aufboten, um einander zu helfen, gelang Alphart, Leffel, Erwyn und Mux, was noch keinem vor ihnen geglückt war: Sie entkamen den dunklen Tiefen von Muortis’ Reich. Gleichwohl war der Moment, in dem sie die unscheinbare Pforte durchschritten, die zurück auf den Gletscher führte, kein Augenblick der Freude oder des inneren Triumphs. Nur wenige Herzschläge lang waren die Freunde darüber erleichtert, die düsteren Klüfte hinter sich gelassen zu haben, doch die Erleichterung verflog schlagartig, als sie sich umblickten.
    Der Nebel hatte sich gelichtet, und auch der Schneefall hatte ausgesetzt, sodass die umliegenden Berge wieder zu sehen waren: der kleinere Enzkopf im Nordwesten, Kean dai Búrin im Süden, Ordac Mar im Nordosten.
    Doch wie sehr hatte sich die Welt verändert!
    Obwohl es nach Alpharts Schätzung erst später Nachmittag sein konnte, waren Berge und Täler bereits in Dämmerung versunken. Wolken hatten sich über Allagáin zusammengezogen, so dunkel und dicht, dass das Sonnenlicht sie nicht mehr zu durchdringen vermochte. Selbst der fahle Schein, der zuletzt noch Tag und Nacht unterschieden hatte, war verblasst.
    Die Welt versank in unheilvoller Schwärze, die nur von den Blitzen durchbrochen wurde, die über den

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