Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
klangvoll und befreiend war der Ton, der aus dem Sylfenhorn drang.
Statt vom Wind davongetragen zu werden und klanglos zu verhallen, stemmte er sich gegen die Naturgewalten und übertönte selbst den Donner. Und anders als der Klang eines herkömmlichen Horns, der bald verstummt wäre, wurde jener Ton aus Danaóns Horn immer noch lauter.
Bestürzt über das, was er ganz offenbar zuwege gebracht hatte, ließ Leffel das Horn sinken und betrachtete es ungläubig. Er drehte es so, dass er in die trichterförmige Öffnung schauen konnte, konnte jedoch nichts augenfällig Wunderbares oder gar Magisches darin entdecken.
Der Ton jedoch hielt weiter an und verstärkte sich noch immer – und blieb nicht ohne Wirkung.
Heftiger Wind stieß plötzlich in die Wolken, und über dem Gipfel des Korin Nifol bildete sich ein kreisender Strudel, der sich zuerst langsam, dann immer schneller drehte und die Finsternis ringsum förmlich aufzusaugen schien. Die Anziehungskraft, die er dabei entwickelte, war derart groß, dass sich ihr nicht einmal die Blitze entziehen konnten. Statt senkrecht herabzuzucken und auf schroffe Gipfel und schmale Bergrücken niederzugehen, wurden die gleißenden Entladungen abgelenkt und irrlichterten kreuz und quer über den Himmel, ehe sie wirkungslos in der Schwärze des Strudels verloschen.
Mit vor Staunen offenem Mund verfolgte Leffel das atemberaubende Schauspiel. Wie ein Tuch, das zu sehr gedehnt worden war, riss die Wolkendecke an zahlreichen Stellen auf, und Schäfte orangeroten Sonnenlichts stachen hindurch, das die Gipfel der Berge erglühen ließ. Heftiger Wind peitschte über die Hänge, der Schnee und Firn aufwirbelte und davonstob, während das Signal des Horns als dutzendfaches Echo widerhallte und dabei immer noch lauter wurde, bis es schließlich auch dem Gilg zu viel wurde.
Er ließ das Horn fallen und presste die Hände auf die Ohren, um sie vor jenem durchdringenden Ton zu schützen, der im nächsten Moment das Eis des Ferners zum Bersten brachte…
67
Bis weit unter den Berg drang der magische Laut, der sich dem Sylfenhorn entrungen hatte.
Anfangs war er kaum auszumachen gegen das Heulen des Windes und das Schnauben des Eisdrachen, der in den Tiefen weiter seinen Dienst versah. Aber mit jedem Augenblick gewann er an Kraft, und als das Eis des Gletschers barst, war die Erschütterung bis hinein ins dunkle Herz von Urgulroth zu spüren.
»Was ist das?«, hörte Yvolar seinen Peiniger fragen, der über ihm stand und drauf und dran gewesen war, ihm die verwunschene Klinge in den Hals zu stoßen, ohne dass der Druide auch nur das Geringste dagegen hätte unternehmen können.
Yvolar spürte seine Kräfte entweichen, mit jedem Tropfen des kostbaren Lebenssafts, der aus den Wunden trat, die Muortis ihm beigebracht hatte. Doch eine Spur von Unsicherheit lag auf einmal in der sonst so überlegen klingenden Stimme des Nebelherrn, und der Druide horchte er auf. Ein neuerlicher Stoß erschütterte die unterirdische Festung, und Yvolar merkte, wie der Druck hinter der tödlichen Klinge ein wenig nachließ.
»Was, bei allen Ausgeburten Perchtas, ist das?«, rief Muortis, und seine Stimme hallte von der Gewölbedecke wider, dann kehrte für einen Augenblick trügerische Stille ein.
Ein erneuter Erdstoß, heftiger als alle bisherigen – und Yvolar fühlte, wie der Druck der Schwertspitze von seiner Kehle verschwand. Eine mächtige Erschütterung durchlief die Eisfestung, und indem der Druide alle verbliebene Konzentration darauf richtete, seinen Eschenstab zum Leuchten zu bringen, gelang es ihm, die träge Finsternis zumindest zu einem kleinen Teil zu vertreiben. Er sah die schaurige Gestalt vor sich hin und her taumeln und um das Gleichgewicht ringen, die Frevlerklinge in der Rechten, während der Fels immer mehr bebte. Eisbrocken und Bruchstücke von Gestein lösten sich von der unsichtbaren Decke und prasselten herab – und mit einem Mal war dem Druiden klar, was an der Oberfläche geschehen sein musste.
»Das, Muortis«, beantwortete er die Frage seines finsteren Widersachers, »ist die Kraft des Sylfenhorns!«
»Nein!«, drang es ebenso entsetzt wie trotzig zurück. Die Kapuze des schwarzen Gewands wurde zurückgeschlagen, und noch einmal blickte Yvolar in das grauenhafte Antlitz des Nebelherrn.
In diesem Moment nahm der Druide all seine verbliebene Körperkraft zusammen, und indem er die Lippen fest zusammenpresste und den Schmerz ignorierte, der ihm fast das
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