Land der Mythen 02 - Die Flamme der Sylfen
auf ein weiches Lager gebettet. Ringsum herrschte blendende Helligkeit, gegen die sich – Alphart konnte es kaum glauben – die Gestalt seines Bruders – seines leiblichen Bruders – abzeichnete!
Bannhart…
Seit ihrer letzten Begegnung hatte er sich kaum verändert. Doch sein Haar, das ein wenig heller war als Alpharts, war frisch zurechtgestutzt, ebenso der Bart, und die dunklen Augen blickten in Gelassenheit und innerem Frieden, nicht wie zuletzt in Schmerz und Todesqual. Bannhart trug seine grüne Jagdkluft, darüber den Gürtel mit dem Hirschfänger und den Riemen mit dem Horn, so wie Alphart ihn in Erinnerung hatte…
»Bruder«, entfuhr es ihm wenig geistreich, worauf Bannhart milde lächelte.
»Es freut mich, dass du dich an mich entsinnst.«
»Na-natürlich erinnere ich mich. Wo… wo bin ich?«
»An einem Ort, von dem die Sterblichen nichts wissen und der zwischen den Welten liegt.«
»Dann… bin ich tot?«
»Nein, Bruder.« Bannharts Lächeln wurde zu einem verwegenen Grinsen. »Noch nicht.«
»Aber du…«
»Ich bin hier, weil du mich mit dir genommen hast, wohin auch immer du gegangen bist. Aber es ist an der Zeit, mich loszulassen, kleiner Bruder. Lass mich ziehen.«
»Nein«, protestierte Alphart, »das werde ich ganz bestimmt nicht tun. Ich habe dich gerade erst wiedergefunden, und da werde ich nicht…«
Bannhart fiel ihm ins Wort. »Hast du mich denn gesucht?«, fragte er streng. »Das solltest du nicht. Dein Augenmerk sollte den Lebenden gelten, nicht den Toten. Ist es nicht das gewesen, worum ich dich mit meinen letzten Worten auf Erden gebeten hatte?«
»Ich habe getan, was du mir aufgetragen hast. Ich bin zur Goldenen Stadt gezogen und habe die Herren dort vor der drohenden Gefahr gewarnt. Aber sie wollten nicht auf mich hören.«
»Ich weiß, was seither geschehen ist«, versicherte Bannhart. »Ich weiß, was dir widerfahren ist, und ich weiß von den Wesen, denen du begegnet bist. Treue Gefährten hast du gefunden, die dir vertrauen und denen auch du vertrauen solltest.«
»Pah!«, machte Alphart abfällig. »Keiner von ihnen ist wie du.«
»Kein Wesen ist wie das andere, so wie kein Stein dem anderen gleicht und kein Baum. Dennoch bauen wir aus ihnen Häuser, und eines wie das andere gewährt uns ein schützendes Dach.«
»Was willst du damit sagen?«
»Dass es nicht auf den Einzelnen ankommt, schon längst nicht mehr. Was draußen in der Welt vor sich geht, droht alles zu verändern, Alphart. Die Welt, wie wir sie kannten, wird vergehen, und nur wenige gibt es, die den Mut und die Fähigkeiten haben, etwas dagegen zu unternehmen. Du, kleiner Bruder, bist einer von ihnen.«
»Aber ich will keiner von ihnen sein. Ich will, dass wir beide in den Bergen auf die Jagd gehen wie früher und dass es zwischen Himmel und Tal nichts gibt, das uns trennt.«
»Folge dem Pfad, der dir bestimmt ist«, riet ihm Bannhart. »Vielleicht wird es dann irgendwann wieder so sein.«
»Du wirst nicht zurückkehren, oder?«, fragte Alphart.
»Nein.« Bannhart schüttelte den Kopf. »Meine Zeit auf Erden ist abgelaufen. Aber der Schöpfergeist hat andere geschickt, die dir statt meiner zur Seite stehen. In jedem von ihnen kannst du einen Teil von mir entdecken – aber im Grunde hast du das längst. Denn wenn du ehrlich zu dir selbst bist, wirst du dir eingestehen, dass du sie bereits in dein Herz geschlossen hast: den sanftmütigen Leffel Gilg, der dich ebenso bewundert, wie ich es einst getan habe; den vorlauten Mux, der dich gern neckt, genau wie ich; den wackeren Urys, der dir nicht weniger treu ergeben ist, als ich es gewesen bin; den wilden Walkar, der dir Schutz bietet auf eine Weise, wie nur ein älterer Bruder es kann; und schließlich der junge Erwyn, der in dir das sieht, was ich für dich gewesen bin.«
»Aber keiner von ihnen kann dich ersetzen«, wandte Alphart hilflos ein.
»Allein nicht«, gab Bannhart zu. »Aber die Gemeinschaft vieler kann eine Lücke füllen – auch in deinem Leben, Bruder.«
»Nein.« Beharrlich schüttelte Alphart den Kopf. »Ich kann nicht mehr. Ich habe alles versucht, aber ich bin mit meiner Kraft am Ende…«
»Deine Kraft wozu? Mich zu rächen?« Bannhart lachte wehmütig. »Dein Rachedurst ist nur ein Vorwand, kleiner Bruder. Andere magst du damit täuschen, vielleicht sogar dich selbst – aber nicht mich. In Wahrheit hast du dein Leben längst einem anderen, höheren Ziel geweiht.«
»Ach ja? Und was für ein Ziel sollte das sein?«
»Der
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