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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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dasaß, zeigte er etwas zutiefst Raubtierhaftes – eine Katze, die darauf wartete, ihre Krallen in lebendiges Fleisch zu graben.
    Cerise dachte an den Aal und an William, wie er, nur mit einem Messer, im Schlamm festgesessen hatte. Die meisten wären in Panik geraten. Doch er hatte bloß darauf gewartet, dass der Fisch auf ihn losging. In dem Moment hatten auch seine Augen wie die eines Raubtiers ausgesehen. Berechnende, heiße Bernsteinaugen, entrüstet, als sei der Angriff des Aals eine persönliche Beleidigung.
    Sie hatte jede Menge Verbannte aus dem Weird gekannt. Und hin und wieder schickte Louisiana auch einen Blaublütigen ins Edge. Manche mächtig, manche verzweifelt, aber keiner glich William. Am liebsten hätte sie ihn aufgeschlitzt, um herauszufinden, was ihn im Innersten zusammenhielt. Weshalb war er im Moor? Was wollte er hier?
    Er war ein Blaublütiger, rief Cerise sich ins Gedächtnis, und in Sicktree würde sie ihn loswerden. Sie hatte schließlich gewichtigere Sorgen. Aber es gefiel ihr, ihn zu betrachten, weil er nun mal zufällig ein hübsches Gesicht hatte und weil es mit ihnen beiden allein im weiten Sumpf nun mal nichts anderes gab, das sie sich hätte anschauen können.
    »Halten Sie Ausschau nach dem Aal?«, fragte Cerise.
    Er sah sie an, und Cerise hätte beinahe die Stange fallen gelassen. Seine Augen leuchteten wie die Iriden einer Wildkatze im Dunkeln.
    Heiliger Bimbam .
    Cerise blinzelte. Jetzt blickten seine Augen wieder normal haselnussbraun. Aber sie hätte schwören können, sie leuchten gesehen zu haben.
    Auf was hatte sie sich da bloß eingelassen?
    »Ich bringe diesen verfluchten Fisch um«, knurrte William.
    Oh, in Gottes Namen . »Durchgeknallte Nekromanten? Ein pingeliger Vetter? Finanzielle Verbindlichkeiten? Haben Sie irgendwas davon mitgekriegt?«
    »Der Fisch steht für alles, was hier nicht stimmt.«
    »Und was, zum Henker, stimmt nicht mit dem Moor?« Cerise konnte ein Lied davon singen, was alles am Moor nicht stimmte, aber dieses Recht stand ihr nur zu, weil sie hier geboren und groß geworden war.
    Er verzog das Gesicht. »Es ist schwül und stickig. Es riecht nach faulender Vegetation, Fisch und Brackwasser. Ständig verändert sich alles. Nichts ist, was es scheint: Fester Boden ist Morast, und die Fische haben Beine. Das ist keine anständige Gegend.«
    Cerise grinste. »Es ist alt. Das Moor war schon uralt, als Ihre Vorfahren geboren wurden. Es ist Teil einer anderen Zeit, als die Pflanzen herrschten und die Tiere noch wild waren. Respektieren Sie das, Lord William, oder das Moor wird Sie umbringen.«
    Seine Oberlippe entblößte seine Zähne. Genau diesen Blick hatte sie schon bei ihren Hunden gesehen, kurz bevor sie sie anknurrten. »Das soll es ruhig versuchen.«
    Da wollte es wohl einer mit dem Sumpf aufnehmen, wie? Cerise lachte. Er funkelte sie an. Sie hätte für ihr Leben gern gewusst, was sein zimperliches Hinterteil im Edge wollte, aber sie hatte bestimmt, dass keine Fragen gestellt werden durften, also musste sie sich auch selbst daran halten.
    »Was wäre denn eine anständige Gegend?«
    »Ein Wald«, antwortete William mit verträumter Miene. »Wo der Boden aus Erde und Steinen besteht. Wo hohe Bäume wachsen, deren Wurzeln von jahrhundertealtem Herbstlaub bedeckt sind. Und wo der Wind nach Wild und Blumen riecht.«
    »Sehr hübsch, Lord Bill. Haben Sie sich schon mal als Dichter versucht? Für Ihre blaublütige Dame?«
    »Nein.«
    »Mag sie keine Gedichte?«
    »Hören Sie auf!«
    Na, sieh mal einer an . »Oh, dann haben Sie keine Dame? Wie interessant –«
    Plötzlich kribbelte Magie auf ihrer Haut. Ihre Hände wurden eiskalt. Ein Schauer überlief sie. Ihre Zähne klapperten, ihre Knie zitterten, und ihre Nackenhaare richteten sich auf. Furcht überschwemmte sie, gefolgt von einem Anflug von Übelkeit.
    Hinter der nächsten Flussbiegung wartete etwas auf sie.
    Ein vertrauter Abscheu schnürte William die Kehle zu. Sein Magen rebellierte. Seine Haut schlug Funken unsichtbarer Magie.
    Die Hand. Mächtige Magie, die schnell näher kam. Links hinter der Flussbiegung. Dort mussten Spiders Leute auf sie lauern. Ob ein Mann oder fünfzehn, konnte man unmöglich sagen.
    Cerise stand starr im Heck. Sie zitterte am ganzen Leib.
    »Weg hier«, rief er. »Sofort!«
    Sie manövrierte das Boot ins Schilf, stieß die Stange bis auf den Grund, kauerte sich hin und sorgte dafür, dass sie sich nicht vom Fleck rührten. William zog eine weiße Münze aus der Tasche,

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