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Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten

Titel: Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
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das musste er ihr lassen, andererseits stand ihr das Schlimmste noch bevor. Wenn erst mal die Nachwirkungen einsetzten, und das würden sie, bekam sie vielleicht Krämpfe. Wenn sie starb, hätte er womöglich keine Chance mehr, Spider zu erwischen. Also musste er zusehen, dass sie am Leben und in Sicherheit blieb.
    Es blitzte. Donner grollte und ließ das Laub erzittern. Die Luft roch verbrannt. Regentropfen trommelten schwer und kalt auf Zypressen, zuerst nur wenige, dann immer mehr, bis der Wolkenbruch losging und sich über dem Sumpf ein Sturzbach ergoss, so dicht, dass er kaum ein paar Schritte weit sehen konnte.
    William hob das Gesicht zum düsteren Himmel und fluchte.
    Cerise drehte sich nach ihm um. Sie war vom Regen durchnässt, ihre Kleidung hatte sich in eine schwarze Masse verwandelt, die nahtlos in den Matsch in ihrem Gesicht überging. Sie sah aus, als wäre sie dem Moor entsprungen, wie einer der Sträucher an der schlammigen Uferböschung. Blutunterlaufene Augen glotzten ihn an. Sie pfiff aus dem letzten Loch.
    Cerise öffnete den Mund. Die Worte kamen langsam: »Keine Sorge, Sie werden sich nicht auflösen. Sie sind nicht aus Zucker.«
    »Sagen Sie Bescheid, wenn Sie die Punkte sehen, von denen ich gesprochen habe.«
    »Mache ich.«
    Sie gingen weiter. Das Boot schrammte über den Boden und steckte fest.
    »Wir mü-müssen’s tragen«, sagte Cerise und griff nach ihrem Beutel.
    William schulterte seinen Rucksack. Sie hob den Bug an.
    »Ich hab’s«, rief er.
    »Ist schwer.«
    »Schaff das schon.« Er drehte das Boot um und wuchtete es auf seine Schulter. Er hätte sie und das Boot gut ein paar Meilen tragen können, aber das musste sie ja nicht unbedingt wissen. Sein Gesichtsfeld schrumpfte zu dem kleinen Ausschnitt direkt vor seinen Füßen zusammen, alles Übrige verschluckten das Boot und Cerises Jacke und Beine. So marschierten sie weiter.
    Wasser und Schlamm durchnässten William bis auf die Knochen. Modder stieg ihm in die Lederhose und in die Stiefel. Seine Socken bildeten aufgeweichte Klumpen, die ihm an den Füßen klebten. Er hätte ein Jahr seines Lebens gegeben, wenn er die nassen Klamotten einfach hätte abschütteln und auf allen vieren laufen können. Doch das Mädchen und seine Last erforderten Menschenhaut.
    Er vermisste seine Hütte. Seine kleine, ärmliche Hütte, in der es trocken war, es einen Flachbildschirm gab und im Kühlschrank meistens Bier wartete. Und in seiner Behausung lagen frische Socken. Das gehörte zu den Dingen im Broken, die ihm am besten gefielen, sich dort so viele Socken kaufen zu können, wie er wollte.
    Cerise blieb stehen, um ein Haar hätte er sie mit dem verdammten Boot gerammt. »Was ist?«
    »Wir haben die Abzweigung verpasst!«, schrie sie über den Sturm. »Der Fluss muss durch den Regen die Richtung geändert haben. Wir sind zu weit links. Wir müssen da lang. Zum See!«
    Sie winkte, deutete nach rechts, in das Düster zwischen den Bäumen.
    Alles, was schiefgehen konnte, ging schief. Wie immer.
    William drehte um und folgte ihr durchs Gestrüpp. Da legte sich ein vertrauter, gespenstischer Druck auf seine Haut. Sie befanden sich in der Nähe der Grenze. Eine wütende Sekunde lang dachte er, sie hätte ihn im Kreis zur Grenze zurückgeführt.
    Wieder blieb sie stehen. Er zuckte zusammen. Unmöglich, diese Frau.
    Cerise deutete auf etwas. »Sehen Sie!«
    Er verrückte das Boot, um etwas sehen zu können. Wie eine trübe Glasscheibe reckte sich der See vor ihnen in die Weite. Links ragte ein Bootssteg ins Wasser, und an der Basis des Bootsstegs stand ein Haus.
    Dunkle Fenster. In der Luft keine Spur von Rauch oder menschlichen Gerüchen. Niemand zu Hause.
    Die Straße davor wirkte zu glatt – asphaltiert. William konzentrierte sich und erkannte auf dem Dach die Umrisse einer Satellitenschüssel. Ein Haus im Broken. Also doch – sie waren in der Nähe der Grenze.
    Cerise beugte sich zu ihm. »Manchmal bildet das Moor Ausläufer ins Broken. Aber meistens sind sie winzig und verschwinden nach einer Weile wieder.«
    Er neigte sich vor. »In dem Ausläufer raubt das Broken Ihnen Ihre Magie. Dann wären Sie Ihre Beschwerden los.«
    In ihren Augen flackerte ein Lichtlein auf.
    Dann blitzte es, und die Welt hielt den Atem an.
    Etwas Dunkles brach durch die Oberfläche des Sees und stieg aus dem Wasser.
    William warf das Boot zur Seite und schubste Cerise hinter sich.
    Das dunkle Etwas stand aufrecht. William blickte es an.
    Das Geschöpf erhob sich zwei

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