Land der Schatten - Andrews, I: Land der Schatten
Und genauso musste es sein – schließlich war sie eine Lady.
Sie griff nach der winzigen Plastikteekanne mit den kleinen rosaroten Rosen und hielt sie über Mr Brosnans Tasse, der seine weichen, flauschigen Tatzen danach ausstreckte.
Sie schnalzte missbilligend. »Mr Brosnan, ich bin schockiert. Sie müssen schon warten, bis ich den anderen Gentlemen Tee eingegossen habe.«
Der Bär ließ die Tatzen sinken und machte ob ihres Tadels ein beschämtes Gesicht.
Da kroch ein ekliges Gefühl ihren Rücken hinunter, als hätte ihr jemand kaltes Gänsefett in den Nacken geschüttet. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht darauf zu achten. Schließlich wollte sie eine schöne Teestunde.
Doch das Gefühl wurde stärker. Die Übelkeit erregende, schleimige Magie blieb an ihr haften, wollte sich ihre Haut und den knochigen Rücken hinabschlängeln und darüber hinaus, um in sie einzudringen.
Elsie ließ die Teekanne fallen und drehte sich um.
Am Rand der Wiese stand ein aus Schatten und Dunkelheit gewirktes Ding. Offenbar mochte es das Licht nicht und hielt sich deshalb in den Schatten unter den Sträuchern, verschmolz mit dem Dämmer, sodass sie nur seine Augen erkennen konnte: zwei gleichförmig graue, matt leuchtende Schlitze, wie schräge Öffnungen in einem mit Regenwolken ausgestopften Schädel.
Sie warf mit einer Teetasse danach. »Geh weg!«
Doch das Ding rührte sich nicht. Stattdessen öffnete sich über dem ersten ein zweites, gleichermaßen schmutziggraues Augenpaar. Das obere Augenpaar blickte auf die harmlos im Gras kullernde Teetasse, das untere glotzte unverwandt in Elsies Richtung.
Das schreckliche Gefühl im Rücken wurde schlimmer. Der kalte Schleim sickerte um ihren Hals und bahnte sich seinen Weg nach unten. Ein schwaches Kribbeln brannte auf Brust und Rücken, als würden Dutzende nadelspitzer Füßchen ihren Hautwiderstand testen.
Elsie quiekte und schlug nach den Tassen, packte wie rasend die winzigen Plastikteile und schleuderte sie eines nach dem anderen in Richtung der bedrohlichen Augen.
»Großmutter?« Amy trat aus dem Haus, wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab und kam auf pummeligen Beinen angelaufen. »Was hast du?«
Elsie wies mit zitternden Fingern auf das dunkle Etwas. Amy schob sich ihre blonden Locken aus dem Gesicht und blinzelte Richtung Gebüsch. »Was?«
»Es will mich kriegen! Es hat alles ruiniert!«
»Das Gebüsch? Das Gebüsch hat alles ruiniert?«
»Nicht das Gebüsch. Das Ding!« Elsie zeigte auf das Ungeheuer.
Amy beugte sich vor und spähte in die Richtung, in die der Zeigefinger deutete. »Großmutter, da ist nichts, bloß ein alter, zerzauster Myrthestrauch.«
Elsie verpasste ihr einen Backenstreich. »Dumme Gans!«
Amy richtete sich zu ihrer vollen Größe auf. »Na, das musste jetzt aber nicht sein. Ins Haus mit dir. Sieht ganz so aus, als bräuchtest du deine Pille.«
»Nein!«
»Doch.«
Elsie versuchte, sie zu kratzen, doch Amy war kräftiger und hundert Pfund schwerer als sie. Sie stellte Elsie auf die Füße und schob sie energisch ins Haus. Elsie drehte den Kopf und sah das dunkle Etwas zum Tisch gleiten. Sie kreischte, doch Amy drängte sie unbarmherzig weiter.
Unter den vier Augen tat sich ein Riesenmaul auf und offenbarte mit bösartigen Zähnen bewehrte Kiefer. Elsie konnte nur noch schreien, als das Ungeheuer in Mr Bana biss und den kleinen, aus Plüsch und Füllmaterial bestehenden Körper zerfetzte.
Rose wuchtete einen großen Staubsauger hinten in den Blitzblank-Van. Latoya und Teresa befanden sich noch im Gebäude der Kaplan-Versicherung. Latoya baggerte Eric Kaplan an, während Teresa das Bad fertig putzte. Eric sah gut aus und machte den Eindruck eines unbekümmerten, jedoch nicht allzu hellen Burschen. Und Latoya dachte, sie könnte ihn um den Finger wickeln. Rose hatte da so ihre Zweifel. Schließlich war es Erics Job, dass die Leute ihn mochten und ihm Versicherungspolicen abkauften, und wenn man sich sein schickes Büro ansah, schien er seine Sache ganz gut zu machen. Er hatte Erfolg, wo sein Onkel Emerson gescheitert war. Unglücklicherweise gehörte seinem Onkel Emerson, der nicht mal halb so nett wie sein Neffe war, auch Blitzblank, was ihn zu ihrem Chef machte.
Rose lehnte sich gegen den Van. Die Sorgen lagen ihr wie ein Bleiklumpen im Magen. Die Furcht hatte sie den ganzen Vormittag geplagt, sie konnte einfach nichts dagegen tun. Normalerweise gab es Gründe für ihre Besorgnis – in den meisten Fällen
Weitere Kostenlose Bücher