Land der Sehnsucht (German Edition)
Stimmung schlagartig. „Merci, Lilly, das sind wunderbare Ideen!“
Lilly rümpfte die Nase. „Der einzige Haken dabei ist, dass Mr Brantley fünf Cent für jede Anzeige, die man an sein Schwarzes Brett hängt, verlangt.“
Véronique tat diese Bemerkung mit einer Handbewegung ab. „Hat das Postamt jetzt offen?“
„Klar. Aber zuerst – Lillys Blick wanderte kurz zu Véroniques Teller – wäre es wirklich schön, wenn Sie Mrs Hudsons Sahnekartoffeln probieren würden.“
„Danke, aber …“
„Sie schmecken köstlich. Versprochen.“
Der Ton in Lillys süßer Stimme veranlasste Véronique, einen vorsichtigen Bissen zu probieren. Dann noch einen. Der Kartoffelbrei schmeckte nach frischer Sahne und Butter, leicht und cremig, ohne einen einzigen Klumpen darin. „Très délicieuse.“ Unter Lillys triumphierendem Blick aß Véronique den ganzen Kartoffelbrei auf.
Als sie aufstanden, warf sie einen letzten mißbilligenden Blick auf das Bruststück auf ihrem Teller, das sie nicht angerührt hatte.
* * *
Wenn sie gezwungen wäre, eine gute Sache an diesem Territorium zu benennen, hätte Véronique zweifellos geantwortet: Die Sonnenuntergänge. Sie blieb an diesem Abend eine Weile auf dem Gehweg vor dem Hotel stehen und saugte die Orange- und Lavendeltöne in sich auf, die wie ein feiner Dunst über den Berggipfeln hingen.
Als die Sonne tiefer sank, wurden die ineinander übergehenden Schattierungen blasser und breiteten sich anmutig über den Canyons und Schluchten aus, bis die Farben schließlich zu dunklen Violett- und Grautönen zwischen den Felswänden zusammenliefen. Während Véronique dieses eindrucksvolle Schauspiel beobachtete, musste sie im Stillen zugeben, dass Paris in ihren Erinnerungen zwar immer noch wunderschön war, aber einen solchen Anblick hatte ihre geliebte Stadt nicht zu bieten.
Ihre Gedanken wanderten zum Koffer in ihrem Hotelzimmer, in dem ihre Leinwände und Farben waren. Christophe hatte darauf bestanden, dass sie sie mitnahm. Der Koffer war immer noch fest verschlossen, die Lederriemen, die Christophe eigenhändig festgezurrt hatte, waren noch nicht geöffnet worden. In der Stimmung, in der sie in Paris ihre Sachen gepackt hatte, hatte sie ihre Malutensilien nicht mitnehmen wollen. Das hatte zu Meinungsverschiedenheiten zwischen ihr und Christophe an ihrem letzten gemeinsamen Nachmittag geführt.
„Du hast eine wunderbare Gabe erhalten, ma Petite, und es wird eine Zeit kommen, in der du diese Sachen wieder haben willst. Wenn du sie hier lässt, fürchte ich, ist ihr Schicksal besiegelt.“
Sie nahm die zusammengerollten Leinwände aus seiner Hand und legte sie beiseite. „Ich brauche diese Sachen nicht mehr, Christophe. Wir wissen beide, welche geringe Meinung Monsieur Touvlier von meinem Talent hat. Ich mache mir etwas vor, wenn ich denke, ich könnte jemals …“
„Du machst dir etwas vor, Véronique, wenn du nur den Aussagen eines einzigen Menschen glaubst. Denk an die Leidenschaft, die du in dir fühlst, wenn du den Pinsel in der Hand hältst. Die Leidenschaft, die in dir brennt, wenn du einen Augenblick in der Gegenwart mit deinen Augen einfängst und verwandelst.“ Er schüttelte den Kopf und sprach leiser weiter. „Wirf wegen der Meinung eines einzelnen Menschen deinen Traum nicht so schnell über Bord, ma Petite.“
Véronique bezweifelte, dass die Malutensilien die Schiffsreise und dieses trockene Klima gut überstanden hatten. Sie hatte seit über einem Jahr nicht mehr versucht zu malen, aber vor ein paar Wochen hatte sie sich an einigen Zeichnungen versucht.
Doch alles hatte in seinen Proportionen irgendwie nicht zusammengepasst. Oder den Bildern fehlte Leben oder Bewegung oder Originalität. Auch wenn Gott ihr früher so großzügige Gaben geschenkt hatte, hatte er sie ihr aus einem unbekannten Grund anscheinend wieder weggenommen.
Ihr Blick blieb an den Felswänden hängen, an denen die immer tieferen Rottöne der sich ausbreitenden Dunkelheit wichen. Konnte sie irgendetwas tun, um Gottes Gunst in dieser Hinsicht zurückzugewinnen? Wenn ja, dann fand sie die Antwort darauf einfach nicht.
Als sie die Hotellobby betrat, blickte Mr Baird, der Hotelbesitzer, hinter seinem Empfangspult auf. Er ließ seine Zeitung sinken und schaute sie über das Drahtgestell seiner Brille hinweg an. „Miss Girard, ich hatte gehofft, dass ich Sie noch sehe, bevor Sie schlafen gehen. Heute kam eine Nachricht für Sie.“
„Eine Nachricht?“ Véroniques erster Gedanke
Weitere Kostenlose Bücher