Land der wilden Sehnsucht
durchdringenden Blick zu, und für einen Moment hatte sie das Gefühl, mit ihm allein auf der Welt zu sein. Es gab nur noch sie beide und diesen wunderschönen Traum.
„Ich habe von Ihnen erfahren, dass Mark mich in einem Brief an seine Mutter erwähnt hat“, begann sie zögernd. „Ich fürchte, dass Hilary dadurch einen falschen Eindruck gewonnen hat.“
„Vielleicht, dass Mark ganz verrückt nach Ihnen war?“
„Dann hätte er wohl kaum eine andere geheiratet.“ Sienna gab sich empörter, als sie war, denn Blaine kam der Wahrheit viel zu nah.
„Wer hat den armen Mark schon gekannt?“, seufzte er. „Wer weiß schon, was für Sünden er begangen hat? Sie jedenfalls können einen Mann schon in Versuchung führen, Sienna. Vielleicht hat er durch Sie begriffen, dass er der hohlen blonden Lockenköpfe überdrüssig war.“
„Stellen Sie bitte keine abwegigen Überlegungen an, Blaine“, warnte sie ihn.
„Nein?“ Er fixierte sie wieder mit seinen hellen Augen. „Welcher Mann würde sich nicht in dem Netz einer schönen und klugen Frau verfangen?“
Sienna wusste, dass irgendwann alles vorbei sein würde. Dann konnte sie sich in Ruhe ausweinen – jetzt musste sie Amanda beistehen, ihr Kraft geben für diese schwierige erste Begegnung mit Marks Familie. Für sie selbst galt äußerste Zurückhaltung. Es war gefährlich, sich mit diesem Mann einzulassen, der mit allen Wassern gewaschen war.
Zehn Minuten später setzte die Beech Baron sanft auf der Rollbahn auf. „Wir sind da!“, rief Sienna, die ihre Aufregung nicht verbergen konnte.
„Willkommen in Katajangga.“ Blaine ließ die Maschine ausrollen und hielt vor einem metallisch glänzenden Hangar.
„Das muss man erlebt haben“, fuhr Sienna begeistert fort. „Eine regelrechte kleine Stadt mitten in einem endlosen Meer von blühenden Wildblumen.“
„Ich freue mich, dass es Ihnen gefällt“, sagte er und setzte, zu Amanda gewandt, hinzu: „Und wie geht es dir?“
„Schlecht“, stöhnte sie und richtete sich mühsam auf.
„Das ändert sich bestimmt, wenn du richtig ausgeschlafen hast“, tröstete er sie.
„Hoffentlich. Mir ist übel und schwindlig. Ich muss schrecklich aussehen.“
„Nur etwas blass“, mischte Sienna sich ein.
„Hör bloß auf!“ Der Neid, den Amanda lebenslang gegen ihre Cousine gehegt hatte, entstellte für einen kurzen Augenblick ihre Gesichtszüge. „Wer kann schon wie du aussehen?“
Blaine tat so, als hätte er es nicht gehört, musste Amanda aber insgeheim recht geben. Sienna sah trotz der langen, anstrengenden Reise frisch wie eine Rose aus. Er registrierte außerdem auch, dass Amanda eine unangenehme Art hatte, Sienna über den Mund zu fahren, sobald diese etwas sagte. Ihre Unausgeglichenheit erinnerte ihn an seinen Halbbruder. Andererseits – und das war schwer zu verstehen – schien sie völlig von Sienna abhängig zu sein und so etwas wie Hassliebe für ihre Cousine zu empfinden.
Es kam häufiger vor, dass starke Menschen von schwächeren Mitgliedern ihrer Familie schikaniert wurden. Ihm selbst war es nicht besser ergangen, obwohl er sich nach Kräften bemüht hatte, Mark zu fördern und zu unterstützen – leider ohne Erfolg. Mark hatte sich stets zurückgesetzt gefühlt und war innerlich daran zerbrochen. Offenbar befand sich Sienna in einer ähnlichen Situation.
Die Sonne, die den Tag mit ihrem Glanz erfüllt hatte, verschwand in diesem Moment hinter dem Horizont und ließ eine malvenfarbene Welt zurück, ein Bild, das Sienna immer mit dem Outback verbinden würde.
Ein kräftig aussehender Rancharbeiter erwartete sie. „Tag, Boss“, begrüßte er Blaine und tippte dabei an den Rand seines Akubras. Er half dabei, das Gepäck im Landrover zu verstauen, dann verließen sie den Hangar, vor dem außer der Beech Baron noch ein hochmoderner dunkelgrauer Hubschrauber und zwei kleinere gelbe Maschinen standen. Sienna vermutete, dass sie bei der Musterung der Rinder eingesetzt wurden.
Die Entfernung zum Wohnhaus betrug eine gute Meile. Sie fuhren über eine breite, kiesbestreute Straße, die von hohen Eukalyptusbäumen gesäumt wurde. Bald tauchte eine etwa drei Meter hohe Lehmmauer vor ihnen auf, die von üppig blühenden Bougainvilleen bewachsen war.
Das schwarz gestrichene schmiedeeiserne Tor stand weit offen. Rechts und links davon ragten zwei prächtige Dattelpalmen in den Himmel, wie Sienna sie eher in den Wüsten Nordafrikas erwartet hätte.
„Die Umgrenzung schützt das Haus vor
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