Land der wilden Sehnsucht
Interessen in Gefahr waren. „Ich kann mich ändern“, lenkte sie ein. „Es tut mir leid. Ich bin nur deine dumme kleine Cousine.“
„Dumm bist du allerdings. Was hast du dir dabei gedacht, mit Blaine über Geld zu sprechen?“ Sienna war am Ende ihrer Geduld. Es fiel ihr immer schwerer, nachsichtig mit Amanda zu sein. „Die Aussage, dass ich dich dazu angestiftet haben soll, war geradezu ein Verrat an mir.“
Auf Amandas Gesicht erschienen rote Flecken. „Blaine lügt. Ich habe nichts dergleichen gesagt. Warum auch?“
„Entschuldige, Mandy, aber die Sache trägt ganz deine Handschrift. Du bringst mich doch nur allzu gern in Misskredit. Ich will gar nicht wissen, welche Summe du von Blaine verlangt hast. Wenn sie zu hoch ist, wirst du bei ihm kein Glück haben. Ich gehe jetzt nach unten und frage, ob Hilary oder Marcia einen Hut für dich haben. Du musst deinen Teint schonen. Er ist so zart und einer deiner größten Vorzüge.“
Amanda waren vor Wut die Tränen gekommen. „Ich kann mir genau vorstellen, was für eine Kopfbedeckung die gute Hilary hervorzaubern wird“, spottete sie. „Vielleicht kommst du ja mit einem Tropenhelm zurück.“
„Oder gar nicht“, drohte Sienna und verließ das Zimmer.
8. KAPITEL
Der anglikanische Priester, der am offenen Grab sprach, fasste sich erfreulich kurz. Amanda stand zwischen Sienna und Blaine und hielt sich mühsam aufrecht. Rechts von Blaine standen Hilary, Marcia und einige entfernte Verwandte – darunter ein Physikprofessor, ein Senator mit Frau und Tochter, ein Bundesrichter mit seiner Frau, ein bekannter Odendichter mit seiner Familie und ein Landwirt aus den Darling Downs.
Sienna fand später heraus, dass es sich bei den Downs um ein äußerst fruchtbares Gebiet am westlichen Abhang der Great Dividing Range handelte, einer Gebirgskette an der australischen Ostküste, die den fruchtbaren Küstenstreifen von Zentral-Queensland und dem Outback trennte.
Auf der anderen Seite der Gruft drängten sich die übrigen Trauergäste. Sie sind nicht wegen Mark gekommen, dachte Sienna, sondern aus Rücksicht auf die Familie. Amandas Bemerkung, Mark habe möglicherweise Selbstmordabsichten gehabt, machte ihr immer noch zu schaffen. Er hatte sich tatsächlich seltsam verhalten, das war nicht von der Hand zu weisen. Obwohl sie ihn inständig gebeten hatten, auf der Piste zu bleiben, war er plötzlich ausgeschert, zwischen die Bäume geraten und an einen geprallt.
Nachträglich fiel ihr ein, dass Mark sich einmal selbst als „Nichtsnutz“ bezeichnet und anschließend darüber gelacht hatte. War das seine ehrliche Überzeugung gewesen? Hatte er sich tatsächlich für wertlos gehalten, und wenn – warum? Sie kannte seine Familie inzwischen gut genug, um sicher zu sein, dass keiner versucht hatte, ihm die Selbstachtung zu nehmen. Andererseits war es sicher nicht leicht für ihn gewesen, im Schatten seines dominanten Halbbruders zu leben.
Die Barretts waren in ihrer Cessna gekommen und mit dem Jeep vom Flugplatz abgeholt worden.
„Das sind Joanne und ihre Eltern“, hatte Blaine leise zu Sienna gesagt, als sie ausstiegen. „Weiß Amanda noch immer nichts von der Verlobung?“
„Nein. Hätte ich es ihr erzählt, wäre sie in ihrem Zimmer geblieben.“
„Okay.“ Mehr hatte Blaine nicht gesagt und sich anderen Leuten zugewandt.
Es war ein Pendelverkehr eingerichtet worden, um die Trauergäste vom Haupthaus zum Familienfriedhof zu bringen, der auf einer flachen Anhöhe lag. Ein schwarzer, über zwei Meter hoher schmiedeeiserner Zaun umgab das verhältnismäßig große Gelände. Riesige Dattelpalmen spendeten einigen Schatten, aber das offene Grab lag direkt in der prallen Sonne.
Sienna zitterte vor Anspannung, obwohl es glühend heiß war. Amanda wirkte ebenfalls nervös. Sie hasste Friedhöfe. In Paris hatte sie sich strikt geweigert, den berühmten Cimetière du Père-Lachaise zu besuchen, als fürchtete sie, die berühmten Künstler, die dort bestattet waren, würden aus ihren Grüften steigen und über sie herfallen.
Schmerz empfinden nur die Lebenden, dachte Sienna. Die Toten haben ausgelitten.
Es gab zu viele Grabsteine auf dem Friedhof, um sie zählen zu können. Blaines Vater Desmond war hier an der Seite seiner ersten Ehefrau Marianne beerdigt worden. Alle Gräber hatten schlichte Granitmonumente, nur eins war mit einer sitzenden Marmorfigur geschmückt. Sienna hielt es für das Grab des Familiengründers, der hier seine letzte Ruhestätte
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