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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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scheint mir genauso unzutreffend zu sein, wie sie als fromme Christen zu bezeichnen. Einige behaupten, der König beschwichtige die Zauberer, weil es sonst einen Aufstand gäbe, und ich glaube, darin liegt durchaus Wahrheit: Allerdings erklärt das nicht alles. Am ehesten stellt es unter Beweis, dass Menschen komplizierte Geschöpfe sind und dass sogar wir, das strenge Nordvolk, ein anpassungsfähiges Wesen besitzen. Was vermutlich Stadtbewohner wie Sie in ihrer vorgefassten Meinung überraschen dürfte.
    Die Zauberer erlangen durch die Morde nichts, sichern sich mit ihnen lediglich ihre Befehlsgewalt – am Blutzoll sind sie nicht beteiligt. Anders verhält es sich mit dem König, dessen Wohlstand davon abhängt. So, wie sich Bauern um ihre Ernte kümmern, kümmert sich der König um seine Bevölkerung und mästet sich an dem Blutvergießen. Jeder Mann, der unter der Vendetta mordet, muss nach der Tat zum König reisen und ihm einhundert Silberstücke aushändigen. Die Frist dafür beträgt vierzig Tage, und das Versäumnis, den Blutzoll zu entrichten, bringt Schande über den Namen und die Familie des Mannes.
    Auch die eigentliche Strafe für jene, die nicht bezahlen, ist schlimm: Nach der Hinrichtung durch Erhängen – ein unehrenhafter Tod – werden dem Säumigen Hände und Füße abgeschnitten, damit er nie den Weg in den Himmel findet. Zudem wird er an einer Kreuzung begraben wie ein Selbstmörder. Bezahlen seine Familie oder seine nächsten Verwandten den Blutzoll noch immer nicht, können ihre Heime niedergebrannt, jegliches Eigentum, das sie besitzen, beschlagnahmt und sie selbst verbannt werden. Ihre Schande ist allumfassend, und ihr kann nicht widersprochen werden. Man kann sich also vorstellen, welche Mühen die Menschen auf sich nehmen, um den Blutzoll zu bezahlen. Ich kenne niemanden, der es nicht getan hat; dafür habe ich schon viele Geschichten von Menschen gehört, die sich zugrunde gerichtet oder gar ihre Töchter und Söhne in die Sklaverei verkauft haben, um das Geld aufzubringen.
    Ich will damit nicht behaupten, Zauberer seien böse, auch wenn man sie fürchtet: Strenge ist nicht gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit. Aber manche Zauberer üben ihre Macht auf finstere Weise aus. Der Zauberer Ezra gehörte dazu. In seinen Gebeinen schien sich eine erbitterte Wut eingenistet zu haben, und wo andere harte Gerechtigkeit walten ließen, herrschten bei ihm Grausamkeit und Bösartigkeit vor. Er war auch nicht darüber erhaben, seine Kräfte für persönliche Zwecke einzusetzen, obwohl Zauberer an sich nur in Belangen des öffentlichen Rechts tätig werden dürfen. Es ist weithin bekannt, dass er in jungen Jahren ein Mädchen aus dem Dorf verfluchte, weil sie ihn nicht wollte. Er pflanzte einen kalten Bann in ihren Leib, der sie vor Qualen verzerrte und entstellte, auf dass ihre Schönheit zerstört wurde. Spricht man in unseren Breiten von unmöglichen Dingen, pflegt man zu sagen, das sei, als erflehe man Gnade von einem Zauberer. Und doch besteht ein Unterschied zwischen jenen, die gnadenlos sind, und jenen, die sich an dem Leid weiden, das sie verursachen.
    Meiner Ansicht nach gleichen die Menschen des Nordens Rindern, die bereitwillig in den Pferch rennen, wo sie für den Tisch ihrer Herren geschlachtet werden. Schlimmer noch, wir kämpfen bis zum Tod für das Recht, den Säckel des Königs mit unserem Blut füllen und die Füße der Zauberer küssen zu dürfen, die auf uns spucken.
    Ich weiß, dass die Menschen im Süden die Vendetta für etwas Fremdartiges und Romantisches halten und dass die Dichter dort sie als Teil der rauen und tragischen Schönheit des Nordens verbrämen. Ich aber sehe keinerlei Romantik darin. Ich sehe nur einen barbarischen Handel, der die Armen an ihrem Platz hält, den Zauberern ihre Macht sichert und den Königen ihren Wohlstand.
    Ich sollte diese Dinge nicht sagen, nicht einmal Fremden gegenüber. Aber ich habe beobachtet und gelitten, und das ist es, was ich glaube.
VII
    Die Vendetta in Elbasa begann recht unspektakulär.
    Unter Umständen haben Sie schon die Kesselflicker, Hausierer und Tagelöhner gesehen, die von einem Ende des Plateaus zum anderen reisen, um ihre Waren und Arbeitskraft für ein paar Münzen oder Kost und Logis feilbieten. Im Schwarzen Land gibt es davon viele – Männer ohne Haushalt oder Heimatdorf, die nur das Geschick ihrer Hände oder die Kraft ihrer Schultern ihr Eigen nennen. Ich weiß, dass solche Wanderer im Süden nichts gelten und

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