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Land des Todes

Land des Todes

Titel: Land des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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meisten Zauberer des Nordens setzte er seine Kräfte nur selten ein, wenn er sich jedoch dafür entschied, hinterließ er einenbleibenden Eindruck. Nicht lange, nachdem ich das Streitgespräch bezeugt hatte, rutschten einem Arbeiter auf einem benachbarten Gehöft, einem Mann namens Oti, einige beleidigende Äußerungen über den Usofertera-Klan heraus. Oti war als Einfaltspinsel bekannt und trank zu jener Zeit recht viel, sonst hätte selbst er so etwas niemals an einem öffentlichen Ort von sich gegeben. Ein weniger hochmütiger Mann als Ezra hätte den Vorfall vielleicht als bedeutungslos erachtet. Zu Otis Pech jedoch erfuhr der Zauberer davon, und die Vergeltung ließ nicht lange auf sich warten.
    Die gesamte Bevölkerung des Weilers wurde auf den Dorfplatz zusammengerufen, um das Schicksal des armen Tropfes zu bezeugen. Zu Linas Verdruss verbot ihr der Master, hinzugehen, und aus Loyalität zu unserem Haus widersetzte sich auch meine Mutter dem Aufruf. Ich hingegen war, wie der Rest der Kinder der Umgebung, außer mir vor Neugier – die einherging mit einem Quäntchen Furcht –, weshalb ich mich zur festgesetzten Zeit am Dorfplatz einfand, sicher versteckt hinter meinem Onkel.
    Oti wurde mit hinter dem Rücken gefesselten Armen auf die Mitte des Platzes geschleift und musste sich auf eine behelfsmäßige Plattform stellen, damit wir alle seine Bestrafung bezeugen konnten. Es folgte eine langwierige und öde Ansprache, in der sich der Zauberer Ezra in allen Einzelheiten über Otis Verbrechen ausließ. Diese, so meinte er, stellten nicht nur einen Verrat an den Usoferteras dar, sondern am gesamten Berufsstand der Zauberer, und verdienten daher eine nachdrückliche Vergeltung.
    Mein Blick war auf Oti geheftet; von wo ich stand, konnte ich sehen, wie seine Glieder zitterten. Sein Gesicht war leichenblass, und es schien, als wären all seine Züge in den Schädel eingesunken – abgesehen von den Augen, die so weit aufgerissen waren, dass sich das Weiß in ihnen deutlich zeigte. Ich empfand sein Grauen als dermaßen mitleiderregend, dass ich zu weinen begann. Dabei versuchte ich, so leise wie möglich zu sein, da ich fürchtete, ich könnte die Aufmerksamkeit des Zauberers erregen. Mich beschlich Bedauern darüber, hergekommen zu sein, und dennoch wagte ich nicht, mich davonzustehlen.
    Schließlich hörte der Zauberer Ezra auf zu reden, und eine furchtbare Stille erfüllte den Platz, als hielte jeder den Atem an. Ein schrilles Kreischen, das durch Mark und Bein ging, unterbrach die Ruhe. Ich wusste, dass es von Oti stammte, konnte jedoch nicht erkennen, was die Ursache dafür war. Weder er noch der Zauberer hatten auch nur einen Muskel bewegt. Oti brüllte weiter auf jene schrille, grässliche Weise, was sich eine gefühlte Ewigkeit hinzuziehen schien. Gleichzeitig kämpfte er zuckend gegen seine Fesseln an, als litte er unaussprechliche Qualen. Ich war ebenso verblüfft wie entsetzt, denn ich konnte keinen Grund für sein Leid erkennen.
    Dann verstummte Oti so plötzlich, wie er zu brüllen begonnen hatte, wenngleich er sich nach wie vor heftig verrenkte, und ein Funke schoss aus seiner Kehle. Innerhalb weniger Augenblicke ergoss sich ein Schwall von Flammen aus seinem offenen Mund, und fast gleichzeitig roch ich verbranntes Fleisch. Mit einem Anflug von Übelkeit wurde mir klar, dass ich beobachtete, wie dieser Mann von innen heraus von einem Feuer verzehrt wurde. Vor meinen Augen schwärzte sich seine Haut und platzte auf, sodass es kurz den Anschein hatte, als züngelten Flammen aus jedem Teil seines Körpers, die ihn in einen fürchterlichen Strahlenkranz hüllten. Im nächsten Moment verlor er jede Ähnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt; das Gebilde seines Körpers verzerrte sich und fiel in sich zusammen, bis nur noch Asche übrig blieb.
    Das Feuer tobte derart heftig, dass der gesamte Vorgang, von Otis erstem Schrei bis zum Erlöschen der Flammen, weniger als fünf Minuten dauerte. Die Plattform, auf der er gestanden hatte, wurde davon kaum berührt. Freunde erzählten mir später, dass sie nur dort Brandmale aufwies, wo seine Leiche zu Boden gefallen war. Ich selbst verspürte keinerleiWunsch, den Ort des Geschehens näher zu betrachten: Ich rannte von der Menschenmenge weg und übergab mich heftig. Noch Monate später konnte ich nicht an der Stelle vorbeigehen, an der Oti verbrannt war, ohne vor lauter Grauen Übelkeit zu empfinden.
    Nach diesem Vorfall brauchte mich niemand mehr davon zu

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